Montag, 11. Oktober 2010

Index Librorum Prohibitorum: Vier Feldkircher auf dem Index

Er ist Teil unserer häufig von Fundamentalismus geprägten christlich-abendländischen Geschichte: Der Index der verbotenen Bücher. Vom Start weg - seit 1559 - stehen auch zehn Vorarlberger auf dieser Liste der verbotenen Autoren.

Am 14.6.1966 gab der Vatikan bekannt: "Das Verzeichnis der verbotenen Bücher ist eines natürlichen Todes gestorben". So wird Kardinal Ottaviani, Chef der vatikanischen Glaubenskongregation an diesem Tag in der Presse zitiert. Vom Start weg - seit 1559 - stehen auch vier Vorarlberger auf dieser Liste der verbotenen Autoren.

Index Librorum Prohibitorum. Ein bemerkenswertes Beispiel katholischer Anerkennung eines "evolutionären" Prozesses, denn der "Index Librorum Prohibitorum" war ein Verzeichnis der für jeden Katholiken bei Strafe der Exkommunikation verbindlich verbotenen Bücher. Besonders schwer wog die Sanktion bei Nichteinhaltung des Index für gläubige Katholiken: die von selbst eintretende Exkommunikation, also der Ausschluss von den Sakramenten. Die Strafe trat in Kraft beim Lesen verbotener Bücher, beim Verteidigen ihres Inhalts, beim Aufbewahren solcher Schriften, bei ihrer Weitergabe.

Tradition. Buchverbote waren aber in der Christenheit nicht neu. So fand beispielsweise die erste offizielle Verdammung einer Schrift auf dem Kirchenkonzil von Nicea im Jahre 325 statt. Die Thalia-Schrift des Arius wurde wegen der darin enthaltenen "Irrlehren" verdammt. Sie wurde öffentlich verbrannt und das Verstecken von Kopien mit der Todesstrafe belegt.  Interessant ist, dass sie sich dabei auf Schriftenverbote- und Verbrennungen im Alten Testament beriefen und somit ihre Haltung legitimierten. Besonders die neutestamentlichen Passagen in den Briefen des Apostel Paulus und der Apostelgeschichte kamen dem Klerus entgegen, wenngleich der Zusammenhang förmlich an den Haaren herbeigezogen ist.

"Auch ungewöhnliche Wunder tat Gott durch die Hand des Paulus. ...  Viele, die gläubig geworden waren, kamen und bekannten offen, was sie getan hatten. Und nicht wenige, die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Zauberbücher herbei und verbrannten sie vor aller Augen." (Apostelgeschichte, 19, 11-20)
Fundamentalistenpapst. Während vom neutestamentlichen Paulus keineswegs verlangt wurde, dass man Bücher verbiete oder verbrenne, sondern nur berichtet wird, dass sich Gläubige aus eigenem "esoterischer Literatur" entledigt hatten, wie man sie heute einfach in einen Recycling-Container werfen würde,  wurde unter Papst Paul IV. 1559 der "Index Librorum Prohibitorum" von der römischen Inquisition veröffentlicht. Dieser Papst gilt als besonders streng und fundamental in der katholischen Kirchengeschichte. Er untersagte nicht nur den Bewohnern Roms die Tavernen und den Frauen, den Vatikan zu betreten.

Im Jahre 1555 wurde er im Alter von 79 Jahren zum Papst gewählt. Bis dahin hatte er immer wieder von Reformen gesprochen. Nach der Wahl jedoch betrieb er denselben Nepotismus, indem er unter anderem einen seiner Neffen Carlo Carafa, einen Condottiere, zum Kardinalsstaatsekretär machte. Zur Stärkung der katholischen Kirche erweiterte Paul die Befugnisse der "heiligen Inquisition". Er leistete gar einen Schwur: "Selbst wenn mein eigener Vater Häretiker wäre, würde ich das Holz zusammentragen, um ihn verbrennen zu lassen". Ebenso führte er am 14. Juli 1555 in seiner antijüdischen Bulle "Cum nimis absurdum" für Juden die Pflicht ein, in Ghettos zu leben. Wenige Tage danach wurden in Ancona 24 aus Portugal geflohene Marane, also zwangsbekehrte Juden, verbrannt. Eine seiner letzten Handlungen war 1559 der Index. Der angestaute Hass des Volkes entlud sich schließlich nach dem Tod von Papst Paul IV. am 18.August 1559 in Rom. Das Gebäude der Inquisition wurde geplündert und seine eigene Statue auf dem Kapitol zertrümmert. An den öffentlichen Gebäuden wurden die Wappen der Carafa abgeschlagen, erst am 21. August legte sich die Wut des Volkes und es kehrte wieder Ruhe in der Stadt ein. Die vor dem Zorn Papst Paul IV. geflohenen Kardinäle della Corgna und Colonna kehrten unter dem Jubel des Volkes am 21. August nach Rom zurück, der in der Engelsburg inhaftierte Kardinal Morone wurde freigelassen und erhielt das passive Wahlrecht für das anstehende Konklave zurück.

Hohenemser.
Ihm folgte übrigens Giovanni de Medici als Pius IV. auf dem Heiligen Stuhl, verwandt mit dem Hohenemser Grafengeschlecht und Förderer des Nepotismus. So ernannte er nicht nur seinen Vetter Giovanni Antonio Serbelloni, sondern auch seine Neffen St. Carlo Borromeo und Markus Sitticus von Hohenems zu Kardinälen.

Index. Der Index enthielt drei alphabetisch geordnete Klassen: in der ersten stehen die Namen derjenigen Schriftsteller, deren sämtliche Schriften verboten werden, in der zweiten einzelne mit dem Namen ihrer Verfasser erschienene, in der dritten anonyme Schriften; schließlich wird eine große Zahl von Bibelausgaben verboten sowie der ganze Verlag von 61 namentlich verzeichneten und von allen anderen Buchdruckern, die ketzerische Bücher gedruckt hatten oder drucken würden (dieses letzte Verbot steht nur in diesem Index). Von einem Ausschuss des Trienter Konzils wurde 1562-63 dieser Index überarbeitet und mit zehn allgemeinen Regeln vermehrt. Dieser neue Index, der sogen. Trienter, wurde nicht von dem Konzil, sondern nach dem Schluss desselben 1564 von Pius IV. veröffentlicht. Er wurde mit Zusätzen von einer vom Herzog von Alba ernannten Kommission 1570 zu Antwerpen, von der portugiesischen Inquisition 1581 zu Lissabon, von dem päpstlichen Nunzius in München 1583 herausgegeben.

Vier Feldkircher. An prominenter Stelle steht seit der ersten Veröffentlichung des Index  vier Vorarlberger: Bislang war dies nur von Bartholomäus Bernhardi aus Schlins bekannt. Bartholomäus Bernhardi  trat auch 1521 als erster Prediger trotz seines Priestergelübdes in den Ehestand. Dieser Vorarlberger ist de facto der Schöpfer und Erfinder des Evangelischen Pfarrhauses.  Des weiteren Johannes Dölsch aus Feldkirch oder "Doctor Feldkirch". Johannes Dölsch stand übrigens auch gemeinsam mit Martin Luther 1520 auf der Bannandrohungsbulle "Exsurge Domine", die Luther bekanntlich öffentlich verbrannt hatte. Dazu Jodok(us) Mörlin (lateinisiert "Maurus"), der aus einem alten Feldkircher Patriziergeschlecht stammte und Georg Joachim Rheticus (auch Rhäticus, Rhaeticus, Rhetikus). Er war der einzige Schüler Kopernikus' und konnte ihn bei seinem Aufenthalt in Frauenburg davon überzeugen, sein Hauptwerk in Druck zu geben. 

Kulturelle Isolation. Zuletzt nannte das Verzeichnis, welches nun in seiner verbindlichen Form 1966 abgeschafft wurde ("verstorben" ist), 6000 Bücher. Die mit der Indexierung verbundene wachsende kulturelle Isolierung, der Niedergang der theologisch-kirchlichen Literatur, das Denunziantentum, die Einschüchterung und vorauseilenden Gehorsam von Autoren durch Selbstzensur machte den Index unter den "Köpfen" auch innerhalb der Kirche schon fragwürdig. Papst Benedikt XV. löste denn auch die Index-Kongregation im Jahr 1917 auf und übertrug ihre Agenden dem Heiligen Offizium. Und diese berüchtigte Behörde wurde im Dezember 1965 - nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil - umbenannt in: "Congregatio pro Doctrina Fidei", Glaubenskongregation. Das Eingeständnis der katholischen Kirche, dass der Index mangels Adminstrierbarkeit der Medienflut gestorben sei, ist auch keine Entschuldigung oder nur Eingeständnis eines Fehlverhaltens.

Die Bandbreite reicht von Honoré de Balzac, George Sand, Alexandre Dumas, Gustave Flaubert, Victor Hugo und Heinrich Heine über Hugo Grotius, Johannes Scotus Eriugena, Giordano Bruno, René Descartes, Auguste Comte, Immanuel Kant, Blaise Pascal und Friedrich den Großen bis John Stewart Mill, Jean-Jacques Rousseau, Voltaire, Montesquieu, Thomas Hobbes, Moses Maimonides, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre. Diderots Enzyklopädie fehlt genausowenig wie das große Wörterbuch von Pierre Larousse, von Martin Luther, Ulrich Zwingli, Johannes Calvin oder dem Book of Common Prayer ganz zu schweigen. Charles Darwin fehlt hingegen überraschender weise oder auch Hitlers "Mein Kampf" sucht man vergeblich auf dieser Liste. Beinahe wäre auch Karl May auf der Liste gelandet.

Aufarbeitung. Man verbindet mit dem Index neben der Indexkongregation immer sofort auch die zweite in Rom für Buchzensur zuständige Behörde, die Inquisition, die schlechthin als Chiffre für das Böse in Kirche und Welt gilt. Bei diesem Begriff entsteht in den Köpfen sofort ein Amalgam aus dem schrecklichen, psychopathischen mittelalterlichen Inquisitor Bernardo Guy, wie ihn Umberto Eco im Namen der Rose entworfen hat, den Autodafés mit Tausenden verbrannter Juden durch den spanischen Inquisitor Niño de Guevara, wie ihn El Greco in seinem unnachahmlichen Portrait verewigt hat, und den brennenden Scheiterhaufen von Ketzern und ihren Büchern. Die Inquisition "fasziniert" heutige Menschen fast so sehr wie die Mysterien des Hexenwahns. Nun ist der deutsche Kirchengeschichtler Hubert Wolf in den Archiven des Vatikans tätig und bringt täglich Neues an den Tag. Der gelernte Priester, dem vom heutigen Papst noch als "Kardinal Ratzinger" persönlich der Zugang zu den Indexakten genehmigt worden ist, hat für die Erforschung dieses dunklen Kapitels der Geschichte der katholischen Kirche eine Menge Geld zur Verfügung, die nur noch von der Bücherflut darüber - die von dem Faszinosum "Verbot" lebt -  übertroffen werden kann. Dafür wirken die Veröffentlichungen denn auch mehr verständnisheischend, als sei dieser Index nur aufgrund menschlicher Schwächen und Vernaderei entstanden und habe die katholische Kirche nichts wirklich damit zu tun, es habe schließlich nur gemenschelt. Sie wirkt banal und bringt bestenfalls Banales und Unprofessionalität noch zu Tage. Umgekehrt bringt die teure "Aufklärung" auch keine Entmystifizierung mehr und ist diese "Aufarbeitung"  kein wirkliches Bekenntnis zu den gemachten Fehlern. Die Erkenntnis an den verantwortlichen Stellen der Kirche war wohl eine pragmatische: Zu den "besten Zeiten" des Index war für viele Autoren im Zusammenhang mit der vatikanischen Liste der verbotenen Bücher genannt zu werden, eine Reklame für das verbotene Buch.

Digital online:
Index Auctorum et librorum prohibitorum, qui ab officio sanctae Romanae Inquisitionis caveri ab omnibus caveri mandantur, Roma, 1559.

  

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