Dienstag, 7. Februar 2023

[ #Arlberg ] Historische Schneeräumung "Schneebrechen" am Arlberg

Ortskern St.Christoph mit dem Hospiz vor dem Arlbergpass
jorchr, St. Christoph am Arlberg, CC BY-SA 3.0

Die Wintermaut am Arlberg war schon um 1630 preisgeregelt.

Von 1450 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Pass nur als Saumpfad und weitgehend nur lokal genutzt. Trotzdem erforderte der lokale Verkehr eine Winterräumung des Arlbergpasses. Das Anlegen einer für Fußgänger, Saumtiere und Schlitten benutzbaren Trasse nannte man  damals „Schneebrechen“. Das Freihalten des Passweges scheint wichtig gewesen zu sein, aber wohl mindestens ebenso die Preisregelung der Mautgebühren.

Mittelalter. Schon seit dem Mittelalter wurde der Arlbergpass nach Möglichkeit auch im Winter für Reisende und den Warenverkehr offengehalten. Als Raststation und Zufluchtsort diente das 1386 von Heinrich Findelkind (auch: Heinrich von Kempten) in St. Christoph gegründete Hospiz. Der Arlbergpass hatte aber lange keine große Bedeutung, auch wenn er mit seiner relativ niedrigen Passhöhe und vergleichsweise kurzen Wintersperre die Konkurrenz ausstechen hätte können.

Hauptgegner Lindau. Schuld daran war wohl die Konkurrenz, insbesondere die Interessen der Lindauer und anderer schwäbischer Städte, welche beim Kaiser erfolgreich intervenierten, damit der Ausbau des Arlbergpasses unterblieb. Schließlich wollten sie alle ihre Zollstätten erhalten.

Anordnungen des Vogteiamts
Bludenz 1633, 1631
Gleichwohl ist schon ab dem Jahre 1218 eine Regelung des Saumverkehrs am Arlberg nachzuweisen. Bereits 1312 wurde am Beginn des Arlbergweges in Landeck/Perfuchs ein Wegegeld erhoben, das für den Erhalt und auch Ausbau des Weges dienen sollte. Aus dem Jahr 1330 stammt auch die erstmalige Erwähnung von Stuben (am Arlberg, Ortsteil von Klösterle), als Poststation, „des Kaisers höchste Stuben“. Der Name Stuben stammt nach dieser Überlieferungen von der Bezeichnung „Wärmestube“ ab - Stuben war letzter Ort für Rast und Einkehr vor der Arlbergpasshöhe und in den langen Wintern die letzte Wärmestube für die Fuhr- und Säumleute. 

1363 kam Tirol zu Habsburg. Habsburger und Montforter teilten sich noch das heutige Vorarlberg. Die Grafen von Montfort-Feldkirch begünstigten verständlicherweise den Zugang von Feldkirch via Bludenz zum Arlberg und konnten so auch Bregenz wirtschaftlich überflügeln. Auf dem Fahrweg setzte verstärkter Verkehr ein, wobei dem Transport von Handelswaren aller Art, insbesondere dem Salztransport und den militärischen Gütern samt Truppenbewegungen größte Bedeutung zu kam. Die Dörfer dies- und jenseits des Arlbergs erblühten und neue Siedlungen entstanden. Freilich änderte sich das mit den Appenzellerkriegen. In der Folge verlor der Arlberg nach und nach seine wirtschaftliche Bedeutung. Auch das ehemals begehrte Konstanzer Leinen verlor an Nachfrage und wurde durch Baumwolle verdrängt, sofern es überhaupt den Weg über den Arlberg gefunden hatte.
Sturz des Papstes Johannes XXIII. (Gegenpapst) auf der Fahrt über den Arlberg
zum Konstanzer Konzil (Richental-Chronik) Wikimedia

Konzil. Nur während des Konstanzer Konzils (5. November 1414–22. April 1418) stieg die Bedeutung des Arlbergs. Papst Johannes XXIII. (Gegenpapst) kam selbst nach Konstanz und eröffnete das Konzil am 5. November 1414. Er reiste über den Arlberg(pass) zum Konzil an, stürzte dort auch prompt samt seinen Wagen dann auch auf der Passhöhe in den tiefen Schnee. Der Papst soll sogleich den Teufel dafür verantwortlich gemacht haben. Auf seiner Flucht aus Konstanz vermied er den Arlbergpass. Nach dem Konzil versank der Arlbergpass wieder zu bloß regionaler Bedeutung. Im Laufe des 15. Jahrhunderts verfiel die Straße über den Arlberg derart, dass er mit Wagen nicht mehr befahrbar war. Wegen des schlechten Zustandes mied man den Arlberg ab ca. 1450 über Jahrhunderte hinweg und nahm weite Umwege über den Fernpass in Kauf. Von 1450 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts wurde der Pass nur als Saumpfad und weitgehend nur lokal genutzt.

Noch 1788 hatte Johann Wolfgang von Goethe den Lindauer Boten (Mailänder Bote, war ein Transportdienst zwischen den Städten Lindau und Mailand) für die Überquerung der Alpen anlässlich seiner ersten Italienreise 1788 genutzt. Die Reisedauer betrug für die etwa 325 Kilometer mehr als 5 Tage und führte per Schiff von Lindau nach Fußach, per Pferd oder Wagen durch das Rheintal, über die Via Mala per Pferd oder zu Fuß über den Splügenpass und, nach Überquerung des Comersees, nach Mailand.

Schneeräumung und Preisregelung. Trotzdem erforderte der lokale Verkehr eine Winterräumung des Arlbergpasses. Das Anlegen einer für Fußgänger, Saumtiere und Schlitten benutzbaren Trasse nannte man damals „Schneebrechen“. Das Freihalten des Passweges scheint wichtig gewesen zu sein, aber wohl mindestens ebenso die Preisregelung der Mautgebühren.

Das Vorarlberger Landesarchiv berichtet in der Archivale1/2012:
Es war Pflicht der Anrainer, auf Vorarlberger Seite der Bewohner von Klösterle und Stuben, die dafür von den Reisenden ein „Bruchgeld“ einheben durften. Nachdem ein Ortskundiger die Route sondierte hatte, legten ein bis zwei Pferde eine Spur, die von Fußgängern, die Rinder und Pferde mit sich führten, verbreitert und zu einer festen Bahn getreten wurde. Zuletzt glättete man den Winterweg mittels einer an einem Schlitten quer gespannten Kette und markierte ihn mit Stangen. Wenn es weitere Schneefälle oder Verwehungen notwendig machten, musste diese mühevolle Arbeit erneut verrichtet werden.
In diesem Sinn befahl Hans Jakob Rudolf, Untervogt von Bludenz, am 5. Januar 1633 den Geschworenen von Klösterle und Stuben, die dortigen Untertanen unverzüglich zur Öffnung des passwegs anzuhalten, sobald „nit lewsorg“ (Lawinengefahr) bestünde. Rudolf schrieb seine Anordnung auf einen gleichlautenden, im November 1631 ausgefertigten Auftrag des Bludenzer Vogts Ulrich von Ramschwag, in dem als Entschädigung ein „Bruchgeld“ in der Höhe von vier Kreuzer je „Reitroß“ bzw. drei Kreuzer je Saumpferd festgelegt worden war.

Vorarlberg. Berge wurden bis Ende des 18. Jahrhunderts nur in Ausnahmefällen bestiegen und waren vor allem ein Hindernis auf dem Weg zur anderen Seite. Über die Berge ging man bis dahin immer über den effizientesten pass. Im 14. Jahrhundert vergaben die Grafen von Montfort noch unbesiedelte Gebiete (Tannberg, Kleinwalsertal und Großwalsertal) im Erblehen an die als gute Viehzüchter, Sennen, Söldner und Säumer, Wehrbauern bekannten Walser. In der Sprache der Walser bedeutet Berg bis heute einen passübergang sowie das Gebiet zu beiden Seiten.

Der Name Vorarlberg ist damit auch ein multikulturelles Phänomen. Mit dem Untergang der Walsersprache im 19. Jahrhundert wurden deren Flurnamen größtenteils übernommen. Arlberg bezeichnet damit die Passhöhe und keineswegs einen Arl(en)berg. In diesem Sinne sind Arlberg und Arlbergpass identisch, das beigefügte Wort "pass"eigentlich eine Verdoppelung, eine Tautologie, ähnlich dem Wort "Hochaltar".

Der „Arl“ gab auch der 1406 in den Appenzellerkriegen zerstörten „Burg Arlen“ auf der Tiroler Seite den Namen. Vom Namen Arlberg leitet sich in der Folge auch der Name Vorarlbergs ab, welches – aus Sicht des Heiligen Römischen Reiches als auch der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie der Burg der Habsburger – vor dem Arl(berg)pass liegt. Die Verwendung von Arlberg und Arlbergpass ist auch heute nicht eindeutig, was dazu führt, dass man den Namen weiter (mit: -straße, -bahn, -tunnel, -gebiet) verwendet, obwohl weder Arlbergbahn noch -tunnel über den Pass führen.


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