Dienstag, 21. März 2023

[ #Montafon ] Das Montafon im Mittelalter: Muntavun - das Almgebiet mit Tobeln


Die Berge sind es, welche die Geschichte des Montafons entscheidend beeinflussen.

Das Montafon wird von drei mächtigen Gebirgszügen umgeben: im Nordwesten sind es die markanten Kalkfelsen des Rätikons, im Süden begegnen Sie dem kristallinen zentralalpinen Gestein der teilweise vergletscherten Silvretta und im Nordosten dem Verwall. Das Montafon ist somit ein idealer Ausgangspunkt für alle Bergfreunde. Kein geringerer als Ernest Hemingway verliebte sich in das urige Tal - in die Berge, die Gletscher, so dass er zwei Winter in Schruns mit Frau und Sohn verbrachte.

Name. Wer weiß aberschon, dass schon der Name einen alpin(istisch)en Bezug hat? Die Berge sind es letztlich auch, die den Verlauf der Geschichte dieses Tales ganz entscheidend beeinlusst haben: Die alpine Lage prägte die Menschen und ihre Kultur. Ein verschriftlichter Vortrag von Dr. Alois Niederstetter führt über 15 Seiten in die Geschichte Monatfons im Mittelalter ein.

Erstmals genannt wird der Name "Montafon" in einer Handschrift des Jahrzeitbuchs der Churer Domkirche. Dort ist von einer Wiese zu Maysaran die Rede, von der es heißt, dass sie in Muntavun – eben im Montafon – liege. Diese erstmalige urkundliche Erwähnung eignet sich leider nicht für Jubiläumsfeierlichkeiten – sie ist nämlich nicht eindeutig datierbar. Die Handschrift wurde etwa 1196 begonnen und bis über die Mitte des 13. Jahrhunderts fortgeführt, eine genauere Zuordnung des Eintrags steht aus.

Almgebiet mit Tobeln. Der Name gilt als rätoromanischen Ursprungs. Einmal wird Montafon als durchlöcherter Berg, der auf die Bergbautradition des Tales hinweist, ein anderes Mal als Bergbrunn, Stillalpenberg oder gar als Verdoppelung des Wortes Berg verstanden. Eine andere Erklärung spricht vom Tal des Wassers oder der zwei Wasser. Am naheliegensten erscheint aus den vielen Erklärungsersuchen, dass es sich um eine Zusammensetzung aus munt (lateinisch mons = Berg), der romanischen Bezeichnung für Almgebiet, und tovone (= Tobel aus tovo für Rinneoder Graben, vgl. lateinisch tubus = Röhre) handelt, Montafon darf man also auch als "Almgebiet mit Tobeln" übersetzen.

Archäologie. Bronze- und eisenzeitliche Funde um Gargellen, in Partenen, Bartholomäberg sowie bei der Tschaggunser Mittagsspitze belegen die Answesenheit von Menschen im Montafon schon zweiten und ersten vorchristlichen Jahrtausend. Dazu könnten die "Verkehrsverbindungen" über das Schlappiner Joch ein besonderer Grund gesewesen sein.

Mittelalter. Im Laufe des Mittelalters nahm die Bedeutung des Montafons Ansiedlungsraum zu. Vorerst nur als sommerliche Alm- und Weidenutzung durch Walgauer und Engadiner Bauern, allmählich auch als Objekt von Dauersiedlungen. Im Hochmittelalter entstehen dann erste rätoromanische Dauersiedlungen. Den Zuzug der Siedler förderte im besonderen der seit dem Hochmittelalter nachweisbare Bergbau im Gebiet von Silbertal-Kristberg-Bartholomäberg, wo vor allem Silber und Kupfer abgebaut wurden. Bartholomäberg ist die älteste Ortschaft des Montafons. Dazu kamen die im 14. Jahrhundert aus dem Schweizer Kanton Wallis eingewanderten Walser für die Bewirtschaftung hochgelegener Gebiete.

Verba volant. In der Reihe "V e r b a v o l a n t" Onlinebeiträge des Vorarlberger Landesarchivs Nr. 36 vom 10.9.2008 beschäftigt sich Alois Niederstätter mit dem Montafon im Mittelalter. Das Papier steht als kostenloser Download zur Verfügung.

Prof. Alois Niederstätter. Alois Niederstätter (* 1955 in Bregenz) ist Professor für Historische Hilfswissenschaften und alemannische Landesgeschichte, seit 2001 Direktor des Vorarlberger Landesarchivs in Bregenz (Nachfolger von Karl Heinz Burmeister), Lehrtätigkeit an den Universitäten Innsbruck und Salzburg, Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung. Zahlreiche Publikationen zur Geschichte des alemannischen Raumes sowie zur habsburgischen Geschichte des Spätmittelalters.


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Sonntag, 19. März 2023

[ #Bodensee ] Bodensee – Brutvogelatlas 2000


Ergebnisse der Kartierung für alle 154 Vogelarten, die brütend im Bodenseegebiet registriert wurden.

[Free eBook/PDF] Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee (OAB) hat in den Jahren 2000-2002 die dritte Brutvogelkartierung im gesamten Bodenseegebiet auf >1200 km2 durchgeführt - unter vollständiger Beibehaltung der methodischen Vorgaben der ersten beiden Kartierungen von 1980-81 und 1990-92. Methodisch werden bei diesen Brutvogelkartierungen alle revieranzeigenden Vögel mittels Linientaxierungen innerhalb eines 2x2km-Gitterfeldes erfasst, wobei nach 5 Kartierungsgängen bis zu 50 Prozent der Gesamtfläche von 4 km² abgedeckt werden.

Im Brutvogelatlas 2000 wird der ermittelte Bestand jeder Vogelart auf die Gesamtfläche hochgerechnet und in Größenklassen an die Koordinatoren übermittelt. Für alle drei Brutvogelkartierungen liegen Ergebnisse aus 303 Gitterfeldern vor. Die Ergebnisse beruhen auf Analysen der Daten der drei Bearbeitungen von 1980/81, 1990-92 und 2000-02, wobei zur Ermittlung der Gesamtbrutbestände die geometrischen Mittelwerte der jeweiligen Größenklassen zugrunde gelegt wurden. Die so berechneten Gesamtbestände entsprechen also nicht exakt ermittelten Brutpaarzahlen sondern fundierten Hochrechnungen. 


In den Kartierungen zeigt sich, dass sich Langstreckenzieher immer weiter aus dem Gebiet zurückziehen, Offenlandvögel fast durchwegs dramatische Bestandseinbußen erlitten haben und Bodenbrüter ebenfalls in den meisten Fällen rückläufige Bestände aufweisen. Die Gesamtartenzahl für das Bodenseegebiet nahm von Kartierung zu Kartierung jeweils leicht zu, dagegen sind die Artenzahl pro Gitterfeld und die Gesamtbestände signifikant rückläufig. Die diesen ausführlicheren Analysen zugrunde liegenden Areal- und Bestandsdaten sowie z.B. auch zur Habitatzuordnung, Zugstrategie und Nistökologie können den Tabellen und Kurztexten entnommen werden.


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

[ #Vorarlberg ] 15. März 1933: Haussuchungen in Vorarlberg


Das Parlament ist ausgeschalten und der Vorarlberger Landeshauptmann Otto Ender setzt Gendarmerie und Bundesheer gegen sozialdemokratische Bildungs- und Genossenschaftseinrichtungen ein, lässt über den Landtagsabgeordneten Anton Linder gar eine "Schutzhaft" verhängen. 

Das Jahr 1933 bringt nicht nur in Deutschland (Deutsches Reich), sondern auch in Österreich einige große Veränderungen mit sich: Ausschaltung des Parlaments, Regierungsgesetzgebung, Staatspartei. Österreich und das Deutsche Reich stehen sich nun auch in beiden Staaten plötzlich nicht mehr als offene Demokratien gegenüber, sondern als jeweils autoritäre Staaten. Österreich verstand sich noch als autoritär-katholisch das Deutsche Reich als nationalsozialistisch-antichristlich. In vielen Fragen wurden aber die gleichen Wege und propagandistischen Antworten gewählt ("Imitationsfaschismus"). Die nachträgliche Rechtfertigung des Austrofaschismus als Front gegen den Nationalsozialismus oder Dollfuß als "Märtyrer der Österreichidee" lässt sich nicht halten, vielmehr ist man heute der Auffassung, dass gerade diese Entwicklung in Österreich den Zugriff Hitlerdeutschlands auf Österreich erheblich erleichtert hatte.

Landeshauptmann Otto Ender. Auf ausdrücklichen schriftlichen Befehl des Bundeskanzlers Dollfuß wurden an diesem Tage (15.3.1933) die Parlamentsabgeordneten in Wien am Zusammentreten im Parlament mit Polizeigewalt gehindert, das demokratisch gewählte Parlament damit ausgeschalten und eine faschistische Diktatur errichtet.

Auch in Vorarlberg wurde an diesem Tag Hausdurchsuchungen "nach Waffen" im Auftrag des Vorarlberger Landeshauptmannes und austrofaschistischen Heimwehrführers Dr. Otto Ender durchgeführt. Die Aktion ist wohl eben in dem Zusammenhang mit der Ausschaltung des Parlamentes zu sehen und stand sichtlich in einer österreichweit koordinierten Aktion. In der Vorarlberger Heimwehr ("Heimatschutz") waren bis Mai 1933 noch die Christlischsozialen und die Deutschnationalen / Nationalsozialisten in einer paramilitärischen Organisation tätig, ein Kontakt welcher sowohl während des Nationalsozialismus etlichen Austrofaschisten das leben erleichterte wie auch in der Nachkriegszeit etlichen Nationalsozialisten bei der "Entnazifizierung" hilfreich sein sollte.

Werner Bundschuh berichtet über diese Haussuchungen in Vorarlberg (Werner Bundschuh: Anmerkungen zum Lebenslauf von Anton Linder):

"Am 15. März 1933 wurden im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung sozialdemokratische Parteilokale, Konsumgeschäfte sowie Privatwohnungen von führenden Funktionären nach Waffen durchsucht. Natürlich traf diese Maßnahmen auch das Dornbirner Arbeiterheim. An diesem Tag setzte sich Vereinsobmann, Bundesrat und Landtagsabgeordnete Anton Linder an seine Schreibmaschine und richtete zwei bis auf die Anrede wortidente Briefe an den Präsidenten des Vorarlberger Landtages sowie an den Vorsitzenden des Bundesrates:

'Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Anläßlich einer am heutigen Tage im Arbeiterheim Dornbirn durchgeführten Waffensuche haben Gendarmeriebeamte in meiner Kanzlei meinen Schreibtisch durchsucht und auch eine Durchsuchung meiner Privatwohnung vorgenommen. Über mich selbst wurde auf die Dauer der Durchsuchung, die ca. 2 Stunden andauerte, Schutzhaft verhängt und mir das Telefonieren untersagt.

Da der Vorgang eine krasse Verletzung meiner Immunität darstellt, melde ich diese Immunitätsverletzung an und bitte Sie, sehr geehrter Herr Vorsitzender, das Nötige veranlassen zu wollen.

Hochachtend
Anton Linder e.h.'

Linders Protest war vergeblich, war doch die Durchsuchung auf Anordnung von Landeshauptmann Otto Ender vorgenommen worden. In einem Antwortschreiben rechtfertigte dieser das Vorgehen der Gendarmerie- und Militäreinheiten bei der Durchsuchung der sozialdemokratischen Parteilokale.

Die Leitung der Aktion im Arbeiterheim Dornbirn (heute "Vorarlberger Hof") oblag Dr. Rudolf Kopf, dem späteren NS-Landesstatthalter. Nach seiner Aussage habe er erst knapp vor der Aktion erfahren, dass er auch in Linders Wohnung, die sich im Arbeiterheim-Haus befand, nach Waffen suchen solle. Dass er dabei den Bundesrat und Landtagsabgeordneten "unter Schutzhaft" stellte, trug ihm später eine verräterische Rüge des Landeshauptmanns ein. Er musste sich belehren lassen, dass es diesen Terminus im österreichischen Recht nicht gebe, dass er in der Sache zwar richtig gehandelt, jedoch einen falschen - wohl aus dem nationalsozialistischen Deutschland stammenden - Ausdruck verwendet habe."


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Freitag, 17. März 2023

[ #Feldkirch ] Die Eiszeit des Gasserplatzes in Göfis

Naturdenkmal Gletschertopf Göfis © Gemeinde Göfis

Im Rahmen der Bauarbeiten des Ambergtunnels wurde im Gemeindegebiet von Göfis ein Gletschertopf entdeckt.


Naturdenkmal Eiche in Göfis auf dem
Gasserplatz © Gemeinde Göfis
Naturschutzgebiet. Das Naturschutzgebiet Gasserplatz ist ein Feuchtgebiet, das von Wissenschaftlern als Flach- und Zwischenmoor ausgewiesen wird. Es bietet heute seltenen Moorpflanzen Lebensraum.

Der südliche Bereich des Gasserplatzes, der über die Landesstraße von Göfis-Hofen in Richtung Feldkirch erreicht werden kann, ist als Erholungsbereich zum Verweilen gestaltet.

Naturdenkmalbuch. Am nördlichen Waldrand des Gasserplatzesist eine Eiche in das Naturdenkmalbuch eingetragen. Mit einer Höhe von zirka 30 Metern, einem Umfang von rund 3,5 Metern und einem Alter von etwa 250 bis 300 Jahren erhält die Eiche somit den Schutz des Naturschutzgesetzes.

Hinrichtungsstätte. Auf dem Göfner Gasserplatz erfolgte im Jahr 1864 die letzte Hinrichtung. Von dem Delinquenten hat der Platz seinen heutigen Namen.

Vorzeit. Die Gesteine der heutigen Alpen wurden während der Trias und dem Jura an den Küsten des sog. Penninischen Ozeans abgelagert, der damals Afrika im Süden von Europa im Norden trennte. An den Küsten kam es zur Bildung von ausgedehnten Karbonatplattformen, die z.T. von großen Riffkomplexen gesäumt wurden. Durch die Bewegungen des Afrikanischen Kontinents nach Norden wurde der Ozean subduziert, die Kalksteine der Küsten deckenartig übereinandergeschoben (Kreide bis Miozän) und damit der neue Gebirgszug der Alpen "aufgetürmt".

Gletschertopf Gasserplatz - Naturschutzgebiet © Gemeinde Göfis
Eiszeit. In den Eiszeiten bildeten sich in diesem Gebirge große Gletscher, die sich tief in diese Decken einschnitten und die so die heutige Form der Alpen bildeten.

Vor 20.000 Jahren erreichten die Gletscher der letzten, der Würm-Eiszeit ihre grösste Ausdehnung. 2.000 Jahre später begannen der Rückzug. Vor 14.000 Jahren war das Rheintal bereits wieder eisfrei. An diese Kälteperiode erinnern unsere heutigen Gletscher. Auch sie sind ständigen Schwankungen unterworfen. Während der mittelalterlichen Warmzeit zwischen 900 und 1100 n.Chr. waren sie weit zurück geschmolzen. Ab 1570 führte kühleres Klima mit Neuschnee im Sommer bis unter 1000 Meter Seehöhe zu einem ersten Gletscherhochstand um 1640. Es folgten starke Schwankungen mit durchaus warmen Einzeljahren, bis zum letzten Maximum von 1850. Seither schmelzen die Gletscher rasch zurück.

Das Moorgebiet Gasserplatz befindet sich im Konfluenzbereich des eiszeitlichen Rhein- und Illgietschers und ist von ehemaligen Eisrandlagen der Schlussvereisung (Feldkircher Stadium) umgeben. An dieser Stelle entstand beim lokalen Abschmelzen des Illgletschers bereits im Ältesten Dryas ein kleiner See, der bis zum Beginn des Holozäns existierte und sich mit einer ungestörten Ablagerung von Seekreide (Kalkgyttja) füllte.

Die Schlussvereisung im Bereich Göfis - Gasserplatz und das Entstehen dieses Sees wurden untersucht. Die biostratigraphische Zonierung der feinlaminierten Seekreideablagerungen zeigt die Vegetationsgeschichte der direkten Umgebung und die lakustrische Entwicklung des spätglazialen Gasserplatz-Sees, wie mittels einer Pollen- und Makroreste-Analyse festgestellt werden konnte. Dünnschliffanalysen, geoelektrische Aufnahmen und zwei 14C-Altersbestimmungen ergänzen das Bild.


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Donnerstag, 16. März 2023

[ #Vorarlberg ] Wussten Sie, dass es in Vorarlberg 850 "Kleinseen" gibt?



In Vorarlberg gibt es insgesamt ca. 850 stehende Gewässer, davon 600 Kleinstgewässer (z.B. Teiche, Tümpel etc.) mit einer Fläche < 10 a.

Im Rahmen des Seenmonitorings werden die größeren Gewässer limnologisch untersucht. Etliche von ihnen sind künstlich entstandene Gewässer, von Badegästen gerne besuchte "Baggerlöcher".

Service. Dies ist nur der Hinweis auf einen Beitrag eines hier verlinkten Weblogs, einer Website oder eines Downloads. Mehr erfährt man, wenn man den untenstehenden Links folgt! Nütze auch den Link „[Google Search] ⇒ “. Er liefert allenfalls einen aktuelleren Link im Falle einer Verwaisung und/oder auch zusätzliche oder aktuellere Infos!

 

 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

[ #Feldkirch ] Erdbeben: Als Feldkirch Himmel und Erden erzürnte

Rheintal 2006: Erdbebenübun

Die stete Bedrohung durch elementare Naturgewalten wie Lawinen, Muren und Überschwemmungen hat seit jeher das Leben im alpinen Raum geprägt. Freilich wurden als Schuldige auch häufig Sündenböcke ausgemacht. Schuldzuweisung an andere, vor allem an Außenseiter der Gesellschaft wie Juden, als Hexen diffamierte und verfolgte Frauen. Die Vorarlberger Hexengeschichte ist reich an Beispielen, wie die Vorarlberger Historiker Tiefenthaler und Tschaikner zeigen.

Himmel und Erden erzürnt: Vorarlberger Naturkatastrophen. Die stete Bedrohung durch elementare Naturgewalten wie Lawinen, Muren und Überschwemmungen hat seit jeher das Leben im alpinen Raum geprägt. Der Respekt vor der Macht der Natur und die vielfältigen Bemühungen, sich davor zu schützen – durch technische Vorrichtungen ebenso wie durch Beschwörungen, Gebete, Wallfahrten, Mythen und Sagen und der Suche nach Schuldigen für die Erzürnung Gottes.

Denn immer war es bis zur Aufklärung im Glauben der Menschen der Wille Gottes, zumindest Prüfung, häufig auch Strafe:
„Gott der Allmächtige hat am zweyten, dritten und vierten Tag Februar 1689 einen so großen Schnee fallen lassen, dass in unserem Tal Muntafon viele Menschen und Vieh durch die herabfallende Lawine neben viel Häuser, Ställ, Speicher, Bäume und andere Gemächer zugrund gegangen sind. Auch viele Güter grausam verderbt geworden.“ (Abschrift aus einer Vorarlberger Chronik des Lawinenwinters 1689)
In diesem Lawinenwinter starben in Montafon 120 Menschen. Ins gleiche Horn bläst die Vorarlberger Sage "Die verwüst' Alp" (Richard Beitl, Neue Sagen aus Vorarlberg) und stellt einen Konnex zu den oben geschilderten Marcellusfluten her:
"In dieser Gegend sei es aber nicht immer so unwirtlich gewesen. Einmal sollen dort drei schöne Alpen gewesen sein. Da sei einmal ein Mann gekommen und habe um Almosen gebeten. Zwei Sennen reichten dem Armen eine Gabe, der dritte aber, ein übermütiger Mensch, füllte dem Bettler sein Häfelein mit Kuhmist und tat nur zu oberst ein bißchen Butter drauf. Der Frevler brauchte aber auf die Strafe nicht zu warten. Der Bettler ging in die anderen Hütten und sagte den beiden barmherzigen Sennen, sie sollten fliehen so schnell sie könnten mit dem Vieh und aller Habe, denn die Alpen seien dem Untergang geweiht."
Über ein Erdbeben in Feldkirch wird in der Prugger'schen (Vorarlberg) Chronik (Feldkirch 1685) berichtet:
„Anno 1117 wäre den menschen himmel und erden erzürnet, indem ein solcher ersehröcklicher erdbidem entstanden und die gegend (Feldkirch?) also erschittet, dass vil häuser eingefallen"
Freilich wurden als Schuldige auch häufig Sündenböcke ausgemacht. Schuldzuweisung an andere, vor allem an Außenseiter der Gesellschaft wie Juden, als Hexen diffamierte und verfolgte Frauen. Die Vorarlberger Hexengeschichte ist reich an Beispielen, wie die Vorarlberger Historiker Tiefenthaler und Tschaikner zeigen.

Die Katastrophen schlagen sich selbstredend auch in der Kultur nieder. Zuletzt haben wir ja noch die Verfilmung des Lawinenwinters 1954 in Blons (Der Atem des Himmels) durch Reinhold Bilgeri in Erinnerung. Auch in Franz Michael Felders Sonderlingen spielt ein Lawinenunglück ein wichtige Rolle. Freilich hatte der aufgeklärte Vorarlberger "Bauernschriftsteller", der sich dem klerikalen Ultramontanismus widersetzte, gegen Unglücke eine verstandesgemäße Lösung. Er organisierte Brand- und Viehversicherungen und Genossenschaften.


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Mittwoch, 15. März 2023

[ #Vorarlberg ] Österreichischer Baumartenatlas: Bestandskarten auch für Vorarlberg


Es gibt 3,4 Mrd. Bäume mit 65 verschiedenen Baumarten in Österreichs Wäldern.


Das Institut für Waldinventur hat einen Baumarten-Atlas erarbeitet, in dem die häufigsten Baumarten, getrennt nach Laub- und Nadelbäumen, vorgestellt werden. Die Spitzenreiter sind: Fichte mit 2 Milliarden Bäumen, gefolgt von Rotbuche mit 326 Millionen und Weißkiefer mit 193 Millionen.

Von jeder Baumart werden Erscheinungsbild, Biologie und Vorkommen vorgestellt. Die räumliche Verteilung kann für Gesamtösterreich oder für jedes Bundesland einzeln abgefragt werden, die Zusammenstellung erfolgte anhand der Daten der Österreichischen Waldinventur.
Service. Dies ist nur der Hinweis auf einen Beitrag eines hier verlinkten Weblogs, einer Website oder eines Downloads. Mehr erfährt man, wenn man den untenstehenden Links folgt! Nütze auch den Link „[Google Search] ⇒ “. Er liefert allenfalls einen aktuelleren Link im Falle einer Verwaisung und/oder auch zusätzliche oder aktuellere Infos!

 

 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Montag, 13. März 2023

[ #Vorarlberg ] Filmzensur: Im Westen nichts Neues

Filmzensur ist im westlichsten Bundesland Österreichs nichts Neues. Erst mit der Erfindung des Internets sind alle diesbezüglichen Bemühungen gänzlich verstorben, ohne dass deswegen Vorarlbergs Bevölkerung sittlich besonders gefährdet wäre. 

Dass aber in Vorarlberg trotz verfassungsgemäßen Verbot der Zensur 1931 die Verfilmung von Erich Maria Remarque's Roman "Im Westen nichts Neues" (All quiet on the Western Front, USA 1929/30, Regie: Lewis Milestone) verboten worden war, das überrascht den Nachgeborenen doch einigermaßen. Widerstand gegen das Verbot des Antikriegsfilmes organisierten die Vorarlberger Sozialdemokraten, welche Fahrten zum Kinobesuch in St. Gallen organisierten.

Bereits Remarques Romanvorlage hatte großes Aufsehen verursacht und machten sich rechte Gruppierungen sofort daran, ihr Missfallen über den pazifistischen Grundton in gewalttätigen Protesten auszudrücken. Schon am 8. Februar 1930 hatte der thüringische Innen- und Volksbildungsminister Wilhelm Frick (NSDAP) verfügt, dass "Im Westen nichts Neues" in keiner Schule des Landes mehr gelesen werden darf. Das Werk wurde als "pazifistisch-marxistische Propaganda" bezeichnet.

In der Tagszeitung "Der Wiener Tag" konnte man dazu am 16. Dezember 1930 lesen: " ... hört man, dass das Innenministerium sich bereits mit der Frage beschäftigt, welcher Standpunkt zu dem Remarque-Rummel einzunehmen wäre. Man ist angeblich nicht gewillt, das gut Recht zur Aufführung des Antikriegsfilms zu verteidigen, sondern will irgendeinen biegsamen Paragraphen aus dem Kinogesetz heranziehen, um gegen den Sinn der republikanischen Rechtsordnung die Aufführung des Filmwerkes einfach zu verbieten." So sollte es auch kommen.

Durch die Verfassungsnovelle des Jahres 1925 die legislativen und exekutiven Kompetenzen im Film- und Theaterwesen vom Bund auf die Länder übergegangen. Daraufhin hatte Vorarlberg ein eigenes Film- und Kinorecht geschaffen, mit welchen die Filmzensur im Grunde wieder eingeführt worden war. Die österreichische Bundesregierung billigte diese Eingriffe in die Zensurfreiheit . Daneben bestand noch eine pseudlegale Möglichkeit unliebsame Filme aus dem Verkehr zu ziehen: Kam es bei einer Vorführung zu Krawallen, Zwischenrufen und gewalttätigen Auseinandersetzungen, so konnte, nach einer Weisung des Ministerrates aus dem Jahr 1930, die zuständige Polizeidirektion sofort ein Verbot gegen den Film erlassen.

Gezielte Störaktionen der Nationalsozialisten waren damit vorprogrammiert. Die oben zitierte Meldung der Zeitung (Der Wiener Tag) zeigt dies deutlich: "Die österreichischen Nationalsozialisten halten sich verpflichtet, hinter der Radausucht ihrer deutschen Brüder nicht zurückzustehen. Seit bekannt wurde, dass der Remarque-Film 'Im Westen nichts Neues' am 3. Jänner in Wien vorgeführt werden soll, regnet es von ihrer Seite Proteste und Drohungen." Die Nazis vergaßen der Zeitung übrigens ihre demokratische Haltung nach dem Anschluss nicht: Die letzte Ausgabe der Zeitung erschien am 12. März 1938, dem Tag des "Anschlusses". Daraufhin schlossen die Nationalsozialisten die Redaktion, und die Zeitung wurde verboten. Die Redakteure Maximilian Schreier, Vincenz Ludwig Ostry und Rudolf Kalmar wurden von der Gestapo verhaftet und nach Deutschland in Konzentrationslager deportiert.

Der Antikriegsfilm hatte aber nicht nur bei den Nazis keine Chance. Auch bei den bürgerlichen Politikern waren längst die Demokratie, Frieden und Freiheit kein Modell mehr. In einer Parlamentsdebatte zu diesem Film sprachen sich die Abgeordneten der Christlichsozialen, des Heimatblockes und der Großdeutschen gegen den Film aus und sprachen schon wie die Nazis selber von "überflüssiger Kriegsabrüstung unseres Volkes". Der spätere Bundeskanzler Schuschnigg wandte sich "gegen den Pazifismus als Geschäft" und setzte sich in Hinblick auf eine "allgemein moralische, vaterländische und nationale Anständigkeit" für ein Verbot des Filmes ein.

Die österreichische Regierung schließlich empfahl den Landesregierungen ein Verbot über den Film zu verhängen und forderte damit - die Filmzensur war noch nicht wieder eingeführt worden - offen zu einem Verfassungsbruch auf. Oberösterreich und Vorarlberg kamen dieser Empfehlung sofort nach.

 
[Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒

      Sonntag, 12. März 2023

      [ #Vorarlberg ] Schlafen auf dem Buchenlaub


      Bettlaubsammeln als Streu- und Waldnutzung in Vorarlberg. Im St.Galler Rheintal wurde Buchenlaub nicht nur als Einstreu gesammelt, nein man schlief mancherorts noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts darauf. 

      Im St. Galler Rheintal war das Sammeln von Bettlaub noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitet und erst die moderne Matratze verbunden mit der ökonomischen Entwicklung hat dem Bettlaubsammeln ein Ende gesetzt. Mit Hilfe von Zeitzeugen-Berichten haben Wissenschafter das Wissen über diese aufgegebene Waldnutzung im St.Galler Rheintal zusammengetragen.

      Heimatmuseum Walsertal. Es ist anzunehmen, dass auch in Vorarlberg die Bettlaubnutzung in ähnlicher Weise erfolgte, besteht doch der Wald in Vorarlberg in tieferen Lagen aus Mischwälder mit verschiedenen Edellaubhölzern (Buche, Ahorn, Esche, Eiche, Ulme). Im Heimatmuseum im Großen Walsertal wird über das ausgestellte Schlafzimmer (Gaden) berichtet: "Im Schlafzimmer im Obergeschoß wundern sich Eltern und Kinder über das ziemlich enge Doppelbett. Es hat einen Laubsack statt einer Matratze. Dieser Laubsack wurde jährlich zweimal mit frischem, trockenem Buchenlaub gefüllt."

      Oral History.
      Die Studie als Oral-History-Projekt wurde sowohl thematisch und regional eng auf die "Buchenwaldgemeinden" des St.Galler Rheintals begrenzt durchgeführt. Die Studie zeigte, dass in weiten Teilen des Untersuchungsgebietes Bettlaub gesammelt wurde. Da meistens Buchenlaub zur Füllung der Laubsäcke genutzt wurde, reduziert sich das Verbreitungsgebiet eben vorwiegend auf die Buchenwaldstandorte.
       
      Die Studie zeigt aber nicht nur Waldnutzung sondern auch ökonomische und soziale Verhältnisse auf, weenn man weiss, dass im St. Galler Rheintal noch im 20. Jahrhundert (zwar nur noch ärmere Leute) Bettlaub sammelten. Das endgültige Verschwinden dieser Laubnutzung zog sich jedoch über eine lange Zeit hin, schliefen sichtlich noch einzelne Familien bis in die frühen 1960er Jahre auf Laubsäcken.

      Holznutzung. Die intensive Bettlaubnutzung hatte aus Sicht der Waldbewirtschaftung negative Auswirkungen auf den Wald - entzog sie doch dem Wald Nährstoffe und verletzte auch Jungpflanzen - und wurde insbesondere mit der steigenden Nachfrage nach Holz auch zu unterbinden gesucht. So wird in den Jahresberichten für das Forstrevier des Klosters Einsiedeln das Bettlaubsammeln in den Buchenwäldern durch arme Leute wurde immer wieder beklagt. Aus Gründen der "christlichen Nächstenliebe" verzichtete das Kloster jedoch auf ein Vorgehen gegen diese Leute. Erst 1924 wird in den Berichten bemerkt, dass die Beanspruchung durch die Gewinnung von Bettlaub zum Vorteil des Waldes doch etwas zurückzugehen scheine.

      Sammelberechtigung. In allen Ortschaften des Rheintales war das Sammeln von Bettlaub reglementiert. Die Regelungen hatten zum Ziel, die Ressource Laub gerecht zu verteilen und den Wald zu schonen. Dies geschah durch Einschränkungen des Kreises der berechtigten Personen, Sammelzeit, des Orts und der erlaubten Werkzeuge.


       [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

      Freitag, 10. März 2023

      [ #Dornbirn ] Dichter des Hakenkreuzliedes auf Vorarlberger Straßenschildern


      Kaum zu glauben: In zwei Vorarlberger Städten, in Dornbirn und Hohenems ist den Verantwortlichen bis heute nichts besseres eingefallen, als eine Straße just nach jenem Ottokar Kernstock zu benennen, der das Hakenkreuzlied  (ursprünglich für eine Nazi-Gruppe in der Steiermark) gedichtet hatte. Eine Schande.

      Holzt mir gut ... die Serbenbrut. Im Frühjahr 1923 dichtete der Priester Otto(kar) Kernstock für die Ortsgruppe Fürstenfeld der NSDAP das "Hakenkreuzlied". Es möge Ihnen erspart werden, wie vieles von dem Fremdenfeindlichen und Blutgetünchten, was dieser Hass-Dichter im Priestergewand reimte.

      Schon Karl Kraus nannte ihn treffend den "blutigsten Dilettanten" der zahlreichen mörderisch-patriotischen Dichterlinge. Auch wenn er die Naziherrschaft nicht mehr erlebte und er wohl auch kein aktiver Nationalsozialist war, zeigt doch die Tatsache, dass er das vermeintlich altgermanische Hakenkreuz als Hoffnungszeichen auserwählte, dass endlich auch sein Katholizismus hinterfragt werden darf. Seine menschenverachtende Gesinnung belegt er schon in seiner Dichtung zum I. Weltkrieg, die allein ihn schon unwürdig macht, Straßenschilder zu zieren. Nicht vergessen, dass sein nationalistisches Engagement und sein ausdrücklicher Slawenhass zu Kaisers Zeiten auch gerade noch Mitbürger getroffen hatte, die eben für diesen Kaiser in den Krieg gezogen sind.

                  Drum schilt die Deutschen nicht,
                  scheints auch zuweilen
                  als habe Rost ihr tapfres Schwert belegt.
                  Wenn sie die Not zwingt Hiebe auszuteilen,
                  ists rasch an Feindesschädeln blank gefegt.

                  Steirische Holzer, holzt mir gut
                  mit Büchsenkolben die Serbenbrut!
                  Steirische Jäger, trefft mir glatt,
                  den russischen Bären auf das Blatt!
                  Steirische Winzer, presst mir fein
                  aus Welschlandfrüchten blutroten Wein!

      Symbole. Da nun eben Straßennamen auch symbolische Bedeutung haben und mithin auch zum Ausdruck bringen, wessen die in der Gemeinde verkörperte örtliche Gemeinschaft ehrend gedenken will, ist dieser Umstand nicht gerade ein Lorbeerkranz für die beiden Stadtregierungen. Es geht dabei nicht darum, in halbwegs gesicherten demokratischen Zuständen verspätet den antifaschistischen Helden zu spielen oder Bilderstürmerei zu treiben, oder nachträglich die Vergangenheit umzuschreiben. Es geht darum, "symbolisch" deutlich zu machen, wen und was wir heute für ehrenwert halten.

      Erich Fried. Der große Schriftsteller und Lyriker österreichischer Herkunft, Erich Fried, hat in seinem autobiographischen Werk über seine Jugendjahre in Wien (Mitunter sogar Lachen, Berlin 1986) sich auch eigens in einer der Geschichten mit Ottokar Kernstock, dem Schöpfer des Hakenkreuzliedes und der österreichischen Bundeshymne ab 1929, befasst. Er schreibt als Schluss dieser Geschichte:

      "Als viele Millionen tot und ermordet waren und das Dritte Reich zertrümmert war, entstand die Zweite Republik Österreich, mit einer neuen Nationalhymne von anderer Hand. Aber dem alten Wechselbalg Ottokar Kernstock haben mindestens einige Österreicher ein liebevolles Andenken bewahrt. Bis heute gibt es einen Ottokar-Kernstock-Platz und eine Ottokar-Kernstock-Straße. Wie hieß doch die Inschrift auf den alten Dolchen der Hitlerzeit? "Die Treue ist das Mark der Ehre."

      Wechselbalg. Die beiden von Erich Fried genannten Verkehrswege in Wien wurden zwischenzeitlich umbenannt. So auch in Traun, Ansfelden, Grein und Wels. Was er aber nicht wissen konnte, dass es trotz mehrerer mittlerweile erfolgten Umbenennungen noch immer zu den zwei Vorarlberger Straßen zig solcher in ganz Österreich gibt, faktisch in allen Bundesländern außer Wien, Oberösterreich und Salzburg. Eine beantragte Umbenennung in Hohenems ist vor Jahren gescheitert und hatte dort zur Spaltung der SPÖ Hohenems geführt.

      Straßen,  Plätze, Gassen und Alleen "in Gedenken" an den Schöpfer des Naziliedes Ottokar Kernstock:

      2 mal in Vorarlberg: Dornbirn, Hohenems;
      1 mal in Burgenland: Pinkafeld
      3 mal in Kärnten: Klagenfurt, Villach, Völkermarkt
      16 mal in Niederösterreich: Bad Vöslau, Berndorf, Brunn am Gebirge, Deutsch-Wagram, Gablitz, Gmünd, Klosterneuburg, Mistelbach, Neunkirchen, Perchtoldsdorf, St. Andrä-Wördern, St. Pölten, Strasshof an der Nordbahn, Waidhofen an der Thaya, Wiener Neustadt
      29 mal in der Steiermark: Graz, Hartberg, Haselsdorf-Tobelbad, Hausmannstätten, Kalsdorf bei Graz, Kapfenberg, Knittelfeld, Krieglach, Langenwang, Leibnitz, Leoben, Lieboch, Liezen, Mariazell, Mureck, Mürzzuschlag, Pinggau, Sankt Lorenzen im Mürztal, Voitsberg, Vorau
      1 mal in Tirol: Pradl


       [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

      Mittwoch, 8. März 2023

      [ #Vorarlberg ] Vorarlbergs "erster" Arbeits-Migrant: Der Steirer-Hans


      "Fremdhäßige", weil sie eine andere Kleidung trugen (Vorarlberger Mundart: "Häß" = Kleidung, Gewand),

      Im Jahr 1927 kam ein 18jähriger Steirer nach Vorarlberg. Bis zu seinem Tod im Jahr 1939 arbeitete er im "Sternbräu" in Rankweil als Bierbrauer und Bierfahrer. Er war von Nenzing bis Hohenems als der "Steirer-Hans" bekannt, weil sich niemand seinen Nachnamen (Purkathofer) merken konnte oder wollte. Es war wohl dasselbe "Integrationsproblem" wie heute, denn im Vorarlberger Sprachgebrauch waren solche Zuwanderer "Fremdhäßige", weil sie eine andere Kleidung (Vorarlberger Mundart: "Häß" = Kleidung, Gewand) trugen (also "integrationsunwillig" waren). 1930 heiratete der "Steirer-Hans" eine Beamtentochter aus Hohenems, mit welcher er sieben Kinder hatte.

      Innerösterreicher-Ausweis. Freilich hat es Zuwanderung auch schon während der Monarchie gegeben. Aber bevor in den 1960ern Arbeitsmigranten aus der Türkei und Exjugoslawien angeworben wurden, wurden solche aus Kärnten und der Steiermark nach Vorarlberg geholt. Schon ab 1955 wurde die Anwerbung von Arbeitskräften in der Steiermark und in Kärnten betrieben. Dieser Zuzug von österreichischen Staatsbürgern, der in kleinerer Zahl schon vor 1955 bestand, war von der Vorarlberger Landesregierung bereits als alarmierend genug empfunden worden, um einen eigenen Lichtbildausweis für innerösterreichische Zuwanderer zu kreieren, was aber vom Verfassungsgerichtshof untersagt wurde. Am Symbol hielt die Landesregierung dennoch fest und stellte ein dunkelgelbes, gefaltetes Kärtchen aus, nur eben ohne Lichtbild.

      Alemannen-Erlass. 1945 war ein enger Mitarbeiter (Elmar Grabherr) des Tiroler NS-Gauleiters Hofer Vorarlberger Landesamtsdirektor geworden und leitete nun die Vorarlberger Beamten weiterhin zu "fremdenfeindlicher" Politik an. Nur waren die "Fremden" damals noch Österreicher. Auf eine besondere Art berühmt geworden war sein "Alemannen-Erlass", ein amtsinternes jedoch öffentlich gewordenes Rundschreiben, das empfahl, bei Stellenbesetzungen im Landesdienst, bei der Vergabe von Fördermitteln und dergleichen in erster Linie die "landsmannschaftliche Herkunft" der Bewerber zu berücksichtigen, die sich durch "objektive Tatsachen wie Abstammung (siehe hier u.a. auch Familiennamen), Geburtsort, ehem. Besitz des Heimatrechtes, langjähriger Aufenthalt, Beherrschung der Mundart ..." zu erkennen sei. 

      Wir sehen also, schon die österreichischen Arbeitnehmer aus der Steiermärk oder Kärnten wurden in einer deklassierenden Art als "Ausländer" behandelt.


       [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

      [ #Vorarlberg ] Über hundert Jahre "Gastarbeit" in Vorarlberg


      Dieser Text von Kurt Greussing, den die Malin-Gesellschaft auf ihrer Website dankenswerterweise kostenfrei zum Download zur Verfügung stellt, ist sage und schreibe mehr als drei Jahrzehnte alt. Hat er an  Aktualität eingebüßt?

      Er hat nicht. Es ist eine "alemannische" Geschichte der Bestimmung des Fremden. Es ist eine Geschichtschreibung über den anderen "Gast". Gerade die Vorarlberger Nachkriegsgeschichte ist von zweierlei Gästen gekennzeichnet: Von jenen hochgelobten Gästen die unsere Wintersportorte aufsuchen, welche die Festspiele besuchen, die die Dornbirner Messe frequentierten, kurz also alle diejenigen welche den Tourismus ausmachen, die Devisen, Schaglzeilen und gekrönte Häupter darstellen auf der einen Seite und den arbeitenden Gästen, den "Gastarbeitern" (häufig auch noch im Ton des III.Reiches "Fremdarbeiter") welche die erwünschten Gäste bedienen, auf der anderen Seite.

       [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒