Montag, 16. Januar 2023

[ #Hohenems ] Rudolf von Ems - ein früher Vorarlberger Dichter


Rudolf von Ems ist vor allem der erste namentlich genannte Dichter Vorarlbergs, der erste Ich-Erzähler und der erste, der statt eines Adeligen einen Bürger zum Helden machte.

Er gilt als einer der gelehrtesten Autoren mittelhochdeutscher Sprache. Zwischen 1220 und 1254 dichtete er und war einer der fruchtbarsten Dichter seiner Zeit. Urkundlich jedoch lässt er sich leider nicht nachweisen.


Rudolf von Ems. Der hochmittelalterliche Epiker Rudolf von Ems (* um 1200, † um 1254) wurde in Hohenems geboren, wahrscheinlich aus dem Geschlecht der späteren Grafen von Hohenems. Er war ein Ministeriale im Dienst des Hugo II. von Montfort, einem vehementen Anhänger der Staufer. Im "Willehalm von Orlens" bezeichnete er sich selbst als "dinstmann zü montfort". Seine Tätigkeit als Schriftsteller lässt sich von etwa 1220 bis in die Mitte der fünfziger Jahre des 13. Jahrhunderts belegen. Er gilt als einer der gelehrtesten Autoren mittelhochdeutscher Sprache. Urkundlich jedoch lässt er sich nicht nachweisen. Kenntnis von und über ihn besitzen wir nur aus Selbstzeugnissen und Erwähnungen anderer Autoren.

Zwei Legendendichtungen, der "Guote Gerhart" und "Barlaam und Josaphat", der Ritterroman "Alexander", der Minneroman "Willehalm von Orlens" und die "Weltchronik" machen Rudolf zu einem wichtigen Vertreter der spätmittelalterlichen Dichtung. Die Weltchronik war nicht nur das erste deutschsprachige Historienbuch, sondern auch Propaganda für die Staufer. Politische Propaganda kennen wir ja auch bei Walther von der Vogelweide. Er war einer der fruchtbarsten Dichter seiner Zeit, dessen Werke jedoch nicht alle erhalten sind. Als sein Vorbild bezeichnet er selbst Gottfried von Straßburg. Er starb vermutlich als Begleiter Kaiser Konrads IV. "in welschen Landen".

Turmbau zu Babel - Weltchronik

Weltchronik. Der Ministeriale gilt auch als der erste namentlich bekannte "Vorarlberger Dichter". Besonders sein letztes Werk, die "Weltchronik" (entstanden zwischen 1250 und 1254), erfreute sich unter den Adeligen größter Beliebtheit und vermittelte ihnen das Wissen über die Geschehnisse im Alten Testament. Die Weltchronik dürfte im ausgehenden Mittelalter zu einer der beliebtesten Dichtungen geworden sein, weil sie es verstand, biblische Geschichte in der Sprache der Zeit zu erzählen. Hier wurde biblisches Heilsgeschehen von der Betrachtung der Vergangenheit in die Bewährung der Gegenwart geführt: Die Geschichte längst vergangener Jahrhunderte wurde in den illustrierten Handschriften in die Erlebnisnähe des gotischen Hochmittelalters gebracht.

Die "Weltchronik" war ein dem Kaiser Konrad IV. gewidmetes Werk, das im Anschluss an die Bibel, die "Historia scholastica" des Petrus Comestor und das "Panthéon" Gottfrieds von Viterbo die Weltgeschichte in 36338 paarweise gereimten Versen in mittelhochdeutscher Sprache von der Schöpfung bis zu Salomos Tod erzählt.

Der gute Gerhard. Rudolf von Ems verfasst im Auftrag Rudolfs von Steinach, eines bischöflich-konstanzischen Ministerialen, zwischen 1215 und 1225 sein erstes Werk "Der gute Gerhard". Von den uns überlieferten Werken ist diese Erzählung das älteste und zugleich beste, eine Verherrlichung der Demut christlichen Sinnes, wahrscheinlich nach lateinischer Quelle bearbeitet. Es ist zugleich auch der erste Roman mit einem Kaufmann als Helden und die erste Ich-Erzählung der deutschen Literatur.

In einer Binnengeschichte berichtet der Ich-Erzähler – die Figur des Kaufmanns Gerhard – dem Kaiser Otto von seinen Wohltaten, die ihm den Beinamen "der guote" eingebracht haben. Der sozial dem Kaiser weit untergeordnete Kaufmann übertrifft den Höherstehenden durch sein ethisches Handeln – welches nicht gerade von gewinnorientierter Kaufmannsmentalität bestimmt wird. Das Beispiel Gerhards vermittelt die Lehre, dass Gottes Lohn für eine gute Tat sich einzig nach der inneren Einstellung bemisst, mit der diese Tat begangen wird. Hoffnung auf irdischen Ruhm hingegen bringt den gerechten Lohn im Jenseits in Gefahr. In seiner dem Typus der Exempelgeschichte folgenden Erzählung zitiert Rudolf einerseits aus Heiligenlegenden vertraute Motive, kombiniert diese jedoch auch mit Elementen höfischer Gattungen, etwa des Artusromans – dies betrifft vor allem die formale Ebene – sowie des Minneromans.

Es ist aber auch eine politische Geschichte. Der Held Gerhard ist dem historischen Kölner Vogt und Zollmeister Gerhard Unmaze, einem der mutmaßlichen Königsmacher von 1198, nachgebildet. 1198 fielen auf Betreiben Richard Löwenherzs sowie der Kölner, vom Englandhandel profitierenden Hochfinanz unter Führung des Zöllners Gerhard Unmaze, die Stimmen einiger Königswähler auf Otto IV, worauf er am 12.Juli 1198 in Aachen als Gegenkönig gekrönt wurde.

Holzschnitt aus "Barlaam und Josaphat"

Barlaam und Josaphat. "Barlaam und Josaphat" ist ein volkssprachlicher Legendenroman über das Leben Buddhas und wurde etwa zwischen 1225 und 1230 nach einer aus dem Griechischen ins Lateinische übertragenen Bearbeitung der Sage von der Bekehrung eines indischen Königssohns zum Christentum verfasst. 1755 wurden in der Bibliothek des Hohenemser Palastes gemeinsam mit der Handschrift C des Nibelungenliedes eine Handschrift der von Rudolf von Ems verfertigten Erzählung "Barlaam und Josaphat" entdeckt.

Der von Rudolf von Ems geschaffene mittelhochdeutsche Versroman ist zwar ziemlich breit überliefert, doch nur vier Handschriften wurden mit Buchschmuck versehen. Aus dieser Gruppe ragt zweifelsfrei die mit einem reichen Bilderzyklus ausgestattete Handschrift von Hans schilling aus der Werkstatt des Diebold Lauber heraus, 1469, jetzt im J. Paul Getty Museum (Ms. Ludwig XV 9). Sie enthält 138 kolorierte Federzeichnungen.

Das Ziel der Dichtung des Rudolf von Ems war hier neben der Verkündung des Sieges des Christentums die ethische Formung der Menschen. Rudolf von Ems formuliert über seine lateinische Vorlage: ze latîne erz rihte / durch got und durch alsolhe site, / daz sich diu liute bezzern mite. / derselben hân ouch ich gedâht (Rudolf von Ems 130–133). Er wolle den Menschen einen Leitfaden zu ihrer Besserung an die Hand geben (vorbilde in guoter lêre Rudolf von Ems 140) und für seine Memoria wirken (Rudolf von Ems 160).

Willehalm von Orlens. Das 15689 Verse und fünf Bücher umfassende Epos um Minne und Heldentum gehört zu den am weitesten verbreiteten deutschsprachigen Werken des Mittelalters. Insgesamt wird es von 45 Textzeugen überliefert. Fünf dieser Handschriften enthalten Illustrationen, in zwei weiteren waren Miniaturen vorgesehen. Es handelt sich um eine Übersetzung aus dem Französischen, deren genaue Vorlage unbekannt ist. Allerdings weist der "Willehalm" inhaltlich Parallelen zum Versroman "Jehan et Blonde" des Philippe de Rémi (ca. 1205-1240) auf. Rudolf dürfte aber auch aus Gottfrieds von Strassburg "Tristan" und dem "Parzival" Wolframs von Eschenbach geschöpft haben. Als Vermittler des französischen Originals nennt er einen sonst nicht nachweisbaren, schwäbischen Ministerialen namens Johannes von Ravensburg. Auftraggeber der Übersetzung war Konrad von Winterstetten, seit 1220 Verwalter des Herzogtums Schwaben, Erzieher und Berater der jungen Könige Heinrich (VII.) und Konrad IV. und politischer Ratgeber und Beauftragter Kaiser Friedrichs II. Vermutlich entstand der Roman um 1235. Den wichtigsten Protagonisten seines Werks aber auch sich selbst und seinem Zuträger Johannes widmet Rudolf übrigens jeweils ein Akrostichon: Zu Beginn eines jeden Buches lassen sich aus den Anfangsbuchstaben der aufeinanderfolgenden Zeilen von oben nach unten die Namen der genannten Personen herauslesen.

Alexander. Das unvollendet gebliebene Werk "Alexander" (um 1230) über Alexander den Großen mit 21.643 Versen war vermutlich als Unterweisung für die Söhne Kaiser Friedrichs II. gedacht. Es werden die Erziehung und die Kämpfe Alexanders geschildert, der Held ist ein Muster an ritterlicher Tugend. Als Quelle dienten Rudolf die "Historia de preliis" und die "Historiae Alexandri Magni" des Curtius Rufus und das lateinische Epos des Walter von Châtillon (Gualtherus de Castellione).


Mittelalterliche Belagerungstechnik. Die bebilderte Weltchronik gibt auch über den Stand der Technik zur Zeit ihrer Auflage Auskunft. Ein Ausschnitt hier aus der Weltchronik von Rudolf von Ems (spätes 13. Jh.) zeigt eine Belagerungsszene. Auffallend ist die Verwendung großer, eigentlich veralteter Tropfenschilder, die sich durch ihre große Fläche bei Belagerungen noch eine Funktion zu haben scheinen. Bei den kleinen Reiterschilden fallen die drei Armfesseln auf. Der Armbrustschütze trägt einen Topfhelm, alle anderen tragen entweder einen Eisenhut oder ausschließlich die Kettenhaube. Sehr plakativ ist auf dieser Abbildung auch der Einsatz von Bogenschützen zu sehen. Über Bautechnik und Hebewerkzeuge gibt beispielsweise die Abbildung des Turmbaus zu Babel Hinweise.


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