Donnerstag, 23. September 2021

[ #Hohenems ] "Hohenemser" Nibelungenlied-Handschriften - UNESCO-Welterbe

Handschrift C

Drei Ausgaben des Nibelungenliedes haben den UNESCO-Welterbetitel. Zwei davon wurden in Hohenems aufgefunden.

Zweimal Hohenems.  
Handschrift A, die in München verwahrt wird, entstand vermutlich im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts in einem unbekannten Schreibzentrum im alpenländischen Raum. Charakteristisch für sie sind die roten Initialen und Überschriften. Die Geschichte der Handschrift liegt noch völlig im Dunkeln. Sie wurde 1779 in Hohenems gefunden - knapp 25 Jahre, nachdem an gleicher Stelle die Handschrift C aufgetaucht war. 1810 erwarb die Münchner Hof- und Staatsbibliothek den uralten Codex.

10 Mio. € kostete 2001 der Erwerb der "Handschrift C" des Nibelungenliedes, eines der wichtigsten Zeugnisse mittelalterlicher Dichtung. Die mit Landesmitteln Baden-Württembergs erworbene Handschrift fand unter der Signatur "Codex Donaueschingen 63" eine neue Heimat in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. Um auch der breiten Öffentlichkeit einen Zugang zu ermöglichen, wurde die Handschrift vollständig digitalisiert und ist auf der Web-Site der Badischen Landes-Bibliothek digitalisiert aufrufbar. Die Strophen 1-11 liegen auch gesprochen als mp3 vor.

Handschrift A
Deutscher Heldenepos. Das Nibelungenlied ist das berühmteste Heldenepos der mittelhochdeutschen Literatur und gilt als herausragendes Beispiel der europäischen Heldenepik, vergleichbar mit der griechischen Troia-Sage. Es wurde um 1200 von einem unbekannten Dichter am Hof des Passauer Bischofs Wolfger von Erla niedergeschrieben. Die strophische Dichtung in 39 Aventiuren erzählt von der Liebe des Drachentöters Siegfried zur burgundischen Königstochter Kriemhild und ihrer Heirat, von Siegfrieds Tod durch Hagen und Kriemhilds Rache mit Hilfe des Hunnenkönigs Etzel, die zum Untergang des Burgunder-Reiches führt. Das Epos basiert auf älteren mündlichen Überlieferungen. Historischer Hintergrund ist der Sieg der Hunnen über die Burgunder im Jahr 436 nach Christus. Das Sagengut reicht bis in die Zeit der Völkerwanderung in Europa zurück und war weit über die Landesgrenzen hinaus in ganz Skandinavien und in Spanien verbreitet.

Rezeption beginnt mit Hohenems. Im 16. Jahrhundert geriet das Nibelungenlied in Vergessenheit. Die moderne Rezeption begann erst wieder im Jahr 1755, als eine der Handschriften des Nibelungenlieds in Hohenems wiederentdeckt wurde. Im 19. Jahrhundert hatte das Nibelungenlied große Bedeutung als nationales Epos. Richard Wagner brachte es in seinem Musikdrama "Ring des Nibelungen" auf die Opernbühne und Friedrich Hebbel formte daraus ein Theaterstück. Das Epos wurde mehrfach verfilmt, erstmals im Stummfilm von Fritz Lang in den Jahren 1922 bis 1924.

Handschrift C. Was unterscheidet die Karlsruher Handschrift von den anderen Überlieferungen des Nibelungenlieds? Die Handschrift ist der älteste Textzeuge des um 1200 entstandenen, aber auf ältere mündliche Traditionen zurückgehenden Nibelungenliedes. Sie wurde im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts im Südwesten des deutschsprachigen Raumes, im alemannisch-bairischen Sprachgebiet niedergeschrieben. Das Pergament wurde von einem einzigen Schreiber auf hohem kalligraphischem Niveau gleichmäßig von Beginn an bis zum Schluss beschrieben. In allen Überlieferungen finden sich Überarbeitungen des Stoffes und inhaltliche Widersprüche, aber der Autor des Codex C hat versucht, diese Widersprüche zu glätten. Typisch für das mittelalterliche Erzählen ist auch hier das Herunterbrechen historischer Ereignisse auf persönliche Konflikte. Im Nibelungenlied löst der Streit zwischen den Königinnen Brünhild und Kriemhild den Untergang eines ganzen Volkes aus.

Karlsruhe. In der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe liegt sie nun (C), die älteste und historisch bedeutendste der Handschriften des berühmten "Nibelungenlieds". Die zu den denkwürdigsten Erzählungen aus dem Mittelalter zählende Sage ist in insgesamt drei vollständigen Abschriften überliefert, je eine weitere (A + B) befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek München, in der Stiftsbibliothek St. Gallen. Die Handschriften gehören zum UNESCO-Weltdokumentenerbe.

Buchmalerei. In den oft farbenfrohen Buchmalereien hat sie viele Darstellungen von Helden mit Drachen gefunden. Auf eine Federzeichnung in Rot ist sie besonders stolz, denn dieses Fragment aus dem 12. Jahrhundert zeigt eine der frühesten Darstellungen des historischen Gotenkönigs Theoderich. Er thront auf einem Richterstuhl, über ihm schwebt ein Flugdrache. In der Sage verwandelte sich der historische Herrscher in die mythische Gestalt des Dietrich von Bern, ein edler Recke, der mit Riesen kämpft und auch im Nibelungenlied einen Gastauftritt hat.

In Pflege. Anlässlich der Auszeichnung der UNESCO in München am 25. Januar 2009 präsentierte die Badische Landesbibliothek ihre sonst äußerst selten zu sehende Abschrift für vier Tage. Damit die wertvollen Stücke durch eine auch nur vier Tage dauernde Ausstellung keinen Schaden nehmen, musste für die exakt richtige Luftfeuchtigkeit, Temperatur und die richtige Menge Licht gesorgt werden. Jahrhunderte hatte sie solche Pflege nicht: In der völlig unordentlichen Bibliothek des Schlosses Hohenems fand 1755 ein interessierter Arzt das um 1220 von einem unbekannten Schreiber notierte Nibelungenlied. Als einige Jahre später diese Handschrift zu Forschungszwecken ausgeliehen werden sollte, fand man sie in der Hohenemser Bibliothek nicht wieder. Sie blieb für mehrere Jahrhunderte verschwunden. Stattdessen fand man dann allerdings eine andere Abschrift der Sage.

Die Nibelungenhandschrift, heute als Codex C benannt, kam Mitte des 19. Jahrhunderts dank der Hartnäckigkeit des begeisterten Sammlers Joseph von Laßberg in die Bibliothek der Fürsten zu Fürstenberg. Beim Verkauf der Bibliothek 2001 sicherten sich die Bundesrepublik Deutschland und die Landesbank Baden-Württemberg die wertvolle Nibelungenhandschrift für 10 Millionen Euro, die seitdem in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe unter der Signatur "Codex Donaueschingen 63" aufbewahrt wird.

Um auch der breiten Öffentlichkeit einen Zugang zu ermöglichen, wurde die Handschrift vollständig digitalisiert. Die Nibelungen-Handschrift C ist auf der Web-Site der Badischen Landes-Bibliothek digitalisiert aufrufbar. Die Strophen 1-11 liegen auch gesprochen als mp3 vor.

Hohenems-Laßbergsche Handschrift. Im 15. Jahrhundert gehörte die Handschrift laut Besitzvermerk einem Hainrich Durricher. Der Codex war früher als Hohenems-Laßbergsche Handschrift bekannt. Am 29. 6. 1755 wurde er als erster Überlieferungsträger des 'Nibelungenliedes' von dem Lindauer Arzt Jacob Hermann Obereit in der Bibliothek der Reichsgrafen von Hohenems wiederentdeckt und steht somit am Beginn der modernen Rezeption des bis dahin - abgesehen von vereinzelten Nennungen in historischen Werken - praktisch vergessenen mittelalterlichen Textes. In den darauf folgenden Jahren machte der Züricher Gelehrte Johann Jacob Bodmer (1698-1783) in den 'Freymüthigen Nachrichten' Entdeckung und Einzelheiten aus dem Inhalt des 'Nibelungenliedes' bekannt, welches er in Bezug zu Homers 'Ilias' setzte.

Handschrift B

Nicht einen Schuss Pulver. Friedrich der Große schrieb an Christian Heinrich Müller, den ersten Herausgeber des Nibelungenliedes, der sein Werk dem König gewidmet hatte, am 22. Februar 1784:
Hochgelahrter, lieber getreuer! 
Ihr urtheilt viel zu vorteilhafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuß Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal in der dortigen großen Bibliothek abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem nicht, 
Euer sonst gnädiger König Frch.
Joseph Freiherr von Laßberg
Joseph Freiherr von Laßberg. 1815 erwarb der Sammler, Historiker und frühe Germanist Joseph Freiherr von Laßberg (1770-1855) die Handschrift in Wien. Joseph von Laßberg hatte damals seine heimliche Lebensgefährtin Fürstin Elisabeth zu Fürstenberg (1767-1822) zum Wiener Kongreß begleitet, welcher er die finanziellen Mittel zum Erwerb der Handschrift verdankte. Das erste Blatt der Handschrift ziert Laßbergs Exlibris. Nach dessen Tod gelangte die Handschrift mit seiner Bibliothek in die Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek in Donaueschingen.

UNESCO-Welterbe. Die UNESCO hat das Nibelungenlied 2009 in das Register des Memory of the World aufgenommnen. Für das Register wurden die drei wichtigsten und vollständigsten Handschriften des Nibelungenlieds ausgewählt. Sie werden in der Bayerischen Staatsbibliothek in München (Handschrift A), der Stiftsbibliothek des Klosters St. Gallen (Handschrift B) und der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (Handschrift C) aufbewahrt.

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