Mittwoch, 25. Januar 2023

[ #Vorarlberg ] Zum Vorarlberger Funkenbrauchtum


Müllverbrennung
Der Vorarlberger Funkenbrauch wurde 2010 in die UNESCO-Liste Immaterielles Kulturerbe in Österreich (nationales Kulturgut) aufgenommen.

Der Funken ist ein Feuerbrauch, der heute noch im schwäbisch-alemannischen Raum (Vorarlberg, Liechtenstein, Schweiz, Schwarzwald, Allgäu, Oberschwaben sowie im Tiroler Oberland und Vinschgau), aber auch in Ostfrankreich und bis in die Gegend von Aachen verbreitet ist. Jedes Jahr am Funkensonntag, manchmal aus Publikumsgründen auch am Samstag davor, werden die Funken abgebrannt.

"Hexe" im Funkenfeuer am Oberfallenberg
in Dornbirn © Wikimedia
Funkensonntag. Mit Funkensonntag bezeichnet man den ersten Sonntag nach Aschermittwoch, also den ersten Fastensonntag.Der Funken ist meist ein Strohhaufen oder aufgeschichteter Holzturm, der nach Einbruch der Abenddämmerung unter den Augen der Dorfbevölkerung angezündet. Die größten Funken können eine Höhe von bis zu 30 Metern erreichen. Im Jahr 2000 schaffte die Funkenzunft Gaissau gar mit einem 40-Meter-Turm den Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde.

Die Praxis des Funkensonntags ist in ganz Vorarlberg verbreitet. In jeder Gemeinde findet ein eigener Funken statt, macherorts sogar mehrere Funken, die von verschiedenen Funkenzünften veranstaltet werden. Die Herleitung des Funken als heidnisches Brauchtum ist wissenschaftlich nicht haltbar und Kitsch. Er hat ganz pragmatische Ursachen: Er war ursprünglich nichts anderes als eine öffentliche Entrümpelung, vor allem die Verbrennung von Unrat im Zuge der Frühjahrsreinigung von Haus und Wiese.

Auch stehen die Funken nie auf einer Anhöhe sondern immer in Dorfnähe unter Berücksichtiung des Abstandes, den die Gefahr die vom Feuer für das Dorf ausgeht, gebietet. Noch heute werden von verschiedenen Funkenzünften die alten Christbäume für den Funken eigesammelt, wiewohl man sie aus Umweltgründen bis zum August trocknen lassen müsste. Bis zu den entsprechenden Umweltschutzvorschriften wurden in der Nachkriegszeit auch ganze Funken aus abgefahrenen Autoreifen und anderem brennbarem Abfall errichtet. 

Funken in Rungelin
am Haldenweg in Bludenz
© Wikimedia
Wandel. Mit dem wachsenden Umweltbewusstsein entstand auch die Kritik, dass die Funken eine nicht notwendige Luftverschmutzung darstellen. Die vielfach verwendeten Brandbeschleuniger, unter anderem auch Benzin, wurden in Frage gestellt. Auch der Umstand, dass immer noch Hexen verbrannt werden, bringt nicht nur Feministinnen in Rage, auch wenn das Funkenfeuer historisch nichts mit den Hexenverbrennungen zu tun hat, werden doch unweigerlich Assoziationen daran geweckt.

Fastenzeit. In vielen Orten Vorarlbergs bestehen eigene Funkenzünfte mit einem Funkenmeister, häufig in Kooperation oder Personalidentität der Faschingszunft. Der brennende Funken, ein hoher Turm oder Haufen aus Abfallholz, und die mit Pulver gefüllte Hexe, die schließlich unter lautem Getöse explodiert, hat mit der vermeintlichen Winteraustreibung nichts zu tun sondern ist Faschingsende und Beginn der Fastenzeit. Der Funkensonntag ist nämlich der erste Sonntag nach dem Aschermittwoch, der Termin steht also am Beginn der Fastenzeit bzw. am Ende des Faschings.

Zu diesem Funkenfest gibt es heute häufig ein Feuerwerk, Blasmusik, "Funkenküchle" aus Hefeteig und Glühwein oder Glühmost. Nicht selten wird betont, dass man den "ursprünglichen" Sinn gegen die Vermarktung wieder herstellen müsse.

Alemannenpropaganda. Für Vorarlberg wird dem Brauch nichtsdestotrotz eine identitätsstiftende Funktion nachgesagt. Dabei geht es mehr um eine - verbunden mit der Berufung auf das heidnisch-völkische Brauchtum - traditonsreiche Anti-Wien-Propaganda, um eine Abgrenzung zur urbanen Kultur, um den Gegensatz von Stadt und Land, denn um wirkliche Vorarlberger Identität. Zu diesem regional propagierten Mininationalismus gehört auch das durch die Landesregierung geförderte Funkenabbrennen in Wien durch Vorarlberger in Wien auf der Himmelwiese.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die lokale austrofaschistische Kulturpolitik versucht, den Funken mit ständestaatlichen Ideen zu verbinden und als "heimatliche" Traditionsbildungen fortzuführen. Dies aber nur mit mäßigem Erfolg, schon wegen der allgmeinen wirtschaftlichen Lage, welche dem nutzlosen Verbrennen von Heizmaterial wohl auch entgegenstand.

Dorfgemeinschaft. Identitätstiftend war der Brauch wohl weniger für das Land als für die örtlichen Dorfgemeinschaften. Die gemeinschaftliche Organisation des Brennmaterials, das Funkenbauen war Burschenarbeit, Leistungsschau der jungen Männer, Wettbewerb mit denen der Nachbargemeinden. War das Funkenfeuer wohl auch zum Gaudium der Bevölkerung, vor allem der Burschen Anlass, so ist es heute eine Freude der Kinder geworden, an dem sie sich mit Lampions, Laternen und Fackeln beteiligen.

Dafür spricht auch, dass sich in den aus Dörfern zusammengewachsenen Städten der dorfeigene Funken in den verschiedenen Ortsteilen erhalten hat. Die Funkenbauer entwickeln nämlich einen großen Ehrgeiz hinsichtlich der Höhe, denn schließlich sollt der dorfeigene Turm höher sein als der des Nachbardorfes. Dazu gehört auch die Funkenwacht von Samstag auf Sonntag, welche ursprünglich das vorzeitige Abbrennen des Funken durch die Burschenkonkurrenz aus dem Nachbardorf zu verhindern hatte und heute zu einem eigenen Funkenerreignis gewachsen ist.

Die Bewirtung mit Schnaps, Glühwein, Glühmost und Küachle oder Schübling dient denn auch nicht selten der willkommenen Auffüllung der Vereinskassen von Fasnachts- und Funkenzunft oder anderer Ortsvereine.


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