Mittwoch, 21. September 2022

[ #Bregenz ] Ein Anarchist in Bregenz: Gustav Landauer


Gustav Landauer wohnte in den Jahren 1894/95 zeitweise in Bregenz.

In Karlsruhe stellt Gustav Landauer das Bezirksamt am 15. Oktober 1894 einen Reisepass „auf die Dauer von drei Jahren zum Zwecke des Aufenthaltes im Ausland“ aus. Unmittelbar darauf meldet das Bezirksamt dem badischen Innenministerium, dass sich Landauer mit seiner Familie in Bregenz niederlassen wolle, und macht gleichzeitig der Bezirkshauptmannschaft in Bregenz „geeignete Mitteilung“ über die Persönlichkeit des Passinhabers. Am 20. Oktober geht diese Mitteilung bei der Bezirkshauptmannschaft ein und wird sogleich an den örtlichen Gendarmerieposten weitergeleitet. Landauer ist mit Margarethe Leuschner und der gemeinsamen Tochter Charlotte Clara bereits am 16. Oktober in Bregenz eingetroffen.

Heilloseste Pfaffenwirtschaft. Bereits im August 1894 war Landauers Vetter Hugo Landauer, der damals ein Textilgeschäft der „Brüder Landauer“ in Biberach führte beschöftigte, eine Wohnung anzumieten. Eine solche hatte er dann in der Bregenzer Oberstadt gefunden. Das Haus am Ehregutaplatz 1, in dem fünf weitere Parteien wohnten, umschließt das Stadttor der Oberstadt und gehörte dem freisinnigen Buchdrucker und Verleger Anton Flatz, der seit 1886 das Bregenzer Tagblatt verlegte. Einem Studienfreund berichtet er: „Hier gibt es Kapuziner, Nonnen verschiedener Gewandung und die heilloseste Pfaffenwirtschaft, die sich einer vorstellen kann. Wie sehr lebendig der Katholizismus ist, sehe ich hier mit Schrecken. Und klug sind diese Leute! Alles Weltliche, allzu Weltliche wird geistlich umkleidet. Wenn die kleinen Mädchen in einer hiesigen Schule (Klosterschule) aufs Klosetchen müssen, haben sie zu sagen, sie wollten dem Jesukindlein ein Opfer bringen! Hübsch, nicht wahr?“




Gustav Landauer.  Gustav Landauer (* 7. April 1870 in Karlsruhe; † 2. Mai 1919 in München-Stadelheim) war Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Theoretiker und Aktivisten des Anarchismus in Deutschland. Während der revolutionären Ereignisse zum Ende des I. Weltkrieges und unmittelbar danach war er an einflussreicher Stelle an der Münchner Räterepublik im April 1919 beteiligt. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der Münchner Räterepublik durch Reichswehr und Freikorpsverbände wurde Landauer am 1. Mai 1919 in München verhaftet und einen Tag später im Zuchthaus Stadelheim von Soldaten ermordet.

Ein umfassender Text zur Recherche über den Aufenthalt Gustav Landauers in Bregenz, der 2009 im Jahrbuch des Franz-Michael-Felder-Archivs der Vorarlberger Landesbibliothek, 10. Jahrgang (S. 37 - 63) erschien, steht kostenfrei online.


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