Dienstag, 2. Mai 2023

[ #Vorarlberg ] Die austrofaschistische "Verfassung" vom 1. Mai 1934 und andere "Vorarlberg-Tage" ...

Bericht aus: Arbeiterzeitung 1.9.1926 (Zum Lesen anklicken!)

Die Verfassung Österreichs von 1934 - "ausgearbeitet" von dem Vorarlberger Otto Ender - trat formal zwar in Kraft, doch hat sie faktisch nie volle Geltung erlangt, da durch das Übergangsgesetz so viele zeitlich unbegrenzte Sonderregelungen getroffen wurden, dass es bei der austrofaschistischen Staatspraxis seit der Ausschaltung des Nationalrates am 4. März 1933 blieb, dass die Gesetzgebung von der Bundesregierung aufgrund des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes von 1917 und des damit auch verfassungswidrigen "Bundesverfassungsgesetzes" vom 1. Mai 1934 erfolgte.



Verfassung 1934. Am 1. Mai, dem traditionellen Festtag der Arbeiterbewegung, wird die austrofaschistische Verfassung verkündet. Eine autoritäre und vom Anspruch her ständische politische Struktur wird verfassungsgesetzlich festgeschrieben. Sie besiegelt den radikalen Bruch mit der nach dem Ende des Ersten Weltkriegs festgelegten parlamentarischen Demokratie.

Elf Jahre später: Der Spuk ist vorbei. Freilich: Die Verfassung ist mit der "Wiedervereinigung" Österreichs mit Deutschland faktisch außer Kraft getreten; sie ist deklaratorisch durch das Verfassungsüberleitungsgesetz vom 1. Mai 1945 - punktgenau 11 Jahre später - als nicht mehr geltend festgestellt worden, nachdem die österreichischen Parteien sich 1945 geeinigt hatten, die Verfassung von 1920 in der Fassung vom 4. März 1933 wieder in Wirkung zu setzen und so sowohl den von den Christlichsozialen betriebenen Umsturz von 1933/34 als auch die Okkupation Österreichs durch Nazi-Deutschland verfassungsrechtlich auszulöschen.

Maria Jahoda (geb. Wien, am 26. Januar 1907, gest. Keymer, West Sussex, am 28. April 2001 - Die Arbeitslosen von Marienthal), deren Todestag wir uns eben auch heute erinnern müssen, beschreibt in einem Protokoll für die Hamburger Wochenzeitung "Die ZEIT" 1999 diesen österreichischen Faschismus, der dem deutschen vorausgegangen war aus eigenem Gefängniserleben:
"Unter dem austrofaschistischen Regime waren die Wiener Gefängnisse nur Gefängnisse, keine KZ. Es gab keine physische Folter. Das schlimmste waren die hygienischen Zustände. Würmer in der Erbsensuppe, Wanzen zu Tausenden.
Der erste Tag war hart. Der zweite schon nicht mehr ganz so schlimm. Ich bin mir erst viel später bewusst geworden, wie sehr historische Ereignisse und Zufälle mein Leben bestimmt haben. Zu der Zeit habe ich mir immer vorgemacht, alles sei meine eigene Entscheidung, aber das ist eine Illusion. In Wirklichkeit ist der Zufall viel größer als der freie Willen. Die furchtbare Entscheidung, die ich treffen musste nach neun Monaten Gefängnis - entweder weiterhin Gefängnis oder sofortige Ausreise aus Österreich ohne meine Lotte -, war die beste in meinem ganzen Leben. Wir wissen alle, was die Nazis mit mir getan hätten."


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