Montag, 30. August 2021

[ #Vorarlberg ] Immaterielles Kulturerbe: Vorarlberger Flurnamen


Die UNESCO-Kommission hat die Vorarlberger Flurnamen in das nationale Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe aufgenommen. 

Da sich Fluren und Äcker in oft weiter Entfernung der Dörfer und Höfe befinden, war ihre genaue örtliche Benennung von großer Bedeutung für das Abschließen von Verträgen, die Erstellung von Wegbeschreibungen und die Berechnung zu entrichtender Abgaben. Über Jahrhunderte hinweg bildeten die dadurch entstandenen Orts- und Flurnamen einen selbstverständlichen Bestandteil der bäuerlichen Lebenswirklichkeit. Erst im Laufe der tief greifenden landwirtschaftlichen Umstrukturierungen nach dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere ab den Sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts wurden viele Flurnamen obsolet und drohten, in Vergessenheit zu geraten.

Werner Vogt. Die Nomenklaturkommission brachte viele bereits verloren gegangene Flurnamen wieder in Verwendung. Der aus Hard stammende Wasserbauingenieur Werner Vogt verschrieb sich der Dokumentation der Flurnamen und erwanderte und erforschte das gesamte Vorarlberger Landesgebiet. Seine Forschungsergebnisse publizierte er in neun Büchern mit umfangreichem Kartenmaterial. Die Flurnamen sind für alle 96 Vorarlberger Gemeinden belegt und Bestandteil ihres sprach- und sozialgeschichtlichen Kulturerbes.

Orale Traditionen. Sie wurden über Jahrhunderte hinweg mündlich von Generation zu Generation überliefert. Zu einer Verschriftlichung kam es erst ab den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts, als die Flurnamen aufgrund der landwirtschaftlichen Umstrukturierungen zu verschwinden drohten.

Bei der Vergabe von Namen für neu angelegte Straßen und Wege knüpfte man seit der Zeit Maria Theresias vielfach an historische Flurnamen an. Auch folgte die Vorarlberger Nomenklaturkommission im zwanzigsten Jahrhundert bei der Festlegung der amtlichen Schreibweise zahlreicher Toponyme in vielen Fällen den Vorschlägen von Werner Vogt. Dadurch sind viele der alten Flurnamen heute noch lebendig.

Identitäten. Die Flurnamen waren im Laufe der Vorarlberger Geschichte zahlreichen Veränderungen unterworfen. Seit dem 6. Jahrhundert vermischte sich das romanische Namengut mit jenem der germanisch-alemannischen Einwanderer. Daher sind die Flurnamen eine wichtige Quelle für die Erforschung der Phasen der frühmittelalterlichen Siedlungstätigkeit zwischen Bodensee und Arlberg.

Den historischen Flurnamen wohnt eine identitätsstiftende Funktion inne, da sie auf jahrhundertealten Namen beruhen und eine wichtige Quelle für die Erforschung der sozialgeschichtlichen und sprachhistorischen Entwicklung Vorarlbergs darstellen. Durch Urkunden aus der Zeit um das Jahr 800 sind die Flurnamen für das Gebiet des heutigen Vorarlbergs in einer geradezu außerordentlichen Kontinuität fassbar.

Risken für die Bewahrung. Das Namensgut reflektiert nicht nur die Wahrnehmung der Natur durch die Bevölkerung, sondern vermittelt auch geschichtliche Hintergründe und liefert Information über die historische Landnutzung. Als Risikofaktoren für die Bewahrung der Vorarlberger Flurnamen werden vier Gründe genannt. Die landwirtschaftlichen Flurzusammenlegungen, die Zersiedelung der Landschaft durch privaten Wohnbau und Industrie, allgemeines Desinteresse an den historischen Flurnamen und die zunehmende soziokulturelle Entwurzelung vieler Menschen aufgrund der heutigen Tendenz zur Mobilität.

Dokumentationen. Die Flurnamen sind für alle 96 Vorarlberger Gemeinden belegt und nun Bestandteil ihres sprach- und sozialgeschichtlichen Kulturerbes. Das Namengut nach Vogt ist auch im Vorarlberg-Atlas auffindbar (Linke Menüleiste "Namengut (nach Vogt)" anklicken). Dazu steht die 1960 von der Landesregierung aufgelistete "Schreibweise von Örtlichkeiten in Vorarlberg" zur Verfügung, ebenso ist "Josef Zösmair: Die Bergnamen Vorarlbergs (1923) - als Digitalisat online.


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