Dienstag, 17. Januar 2023

[ #Leiblach ] Der Schieber vom Bodensee: Modellstehen für Dr. Mabuse

Wikimedia: Waldemar Flaig: Porträt Norbert Jacques, 1927

Tatsächlich stammt die Figur des Dr. Mabuse vom Bodensee. Geschrieben hat ihn der luxemburgische Schriftsteller Norbert Jacques, angeblich in nur 20 Tagen im Gasthaus Bad Diezlings in Hörbranz. 

Die Figur entstand als der Schriftsteller nach dem Ersten Weltkrieg auf einer Dampferfahrt über den Bodensee war. Zu dieser Zeit war die Gegend um den Bodensee ein beliebter Umschlagplatz für den in höchster Blüte stehenden Schwarzhandel. Der Autor beobachtete einen Mitpassagier, dessen Statur und Gesicht ihn inspirierten. Im Geiste machte er dann aus dem beobachteten kleinen Schieber mit der berührenden Ausstrahlung einen genialen Großverbrecher um dessen Gestalt herum Geschichten um Geldwäsche, Mädchenhandel, Schmuggel, Diebstahl und Glücksspiel: Dr. Mabuse, der Spieler.


Norbert Jacques
, der Erinder von Dr. Mabuse, bleibt mit dem Bodensee bis ans Lebensende verbunden. Wegen seines Verhaltens während des Ersten Weltkrieges und auch des Nationalsozialismus ist sein Werk nach einer Tabuisierung heute weitgehend unbekannt. Bekannt hingegen ist die Verfilmung des Dr. Mabuse durch Fritz Lang aus dem Jahr 1921. Gemeinsam mit dem Regisseur Fritz Lang bereiste er 1931 die Türkei.

Während des Ersten Weltkrieges fungierte Norbert Jacques dank eines luxemburgischen Passes als Kriegsberichterstatter und veröffentlichte Berichte über den Krieg in Belgien, Holland, Frankreich und England, wobei ihm die Parteinahme für Deutschland in Luxemburg verübelt wurde und Verachtung, Ablehnung und Boykott zur Folge hatte. Ursprünglich meldete sich Norbert Jacques 1914 in Berlin gar als deutscher Kriegsfreiwilliger, wurde aber wegen seiner luxemburgischen Staatsangehörigkeit nicht akzeptiert. Für ihn war Luxemburg als Land zwischen zwei Völkern und zwei Sprachen geprägt von Provinzialismus, Konservatismus und Klerikalismus.

1938 wurde für seine Familie zum Schicksaljahr. Seine Frau Jacques Margerite Samuely war Jüdin aus Wien, eine ehemalige Sekretärin von Arthur Schnitzler. Mit ihr hatte er zwei Töchter: Aurikula und Adeline. Die Eheleute (Ehe seit 1912 nach der Scheidung von der Sachuspielerin Olga Hübner, mit der er seit 1902 verheiratet war) ließen sich scheiden und Margerite emigrierte Anfang 1939 in die USA. Immerhin verschaffte er seinen Töchtern über Luxemburger Freunde die luxemburgische Staatsangehörigkeit, seine jüdische Ehefrau Grete Samuely ging nach der Scheidung ebenfalls via Luxemburg ins amerikanische Exil.

Der Kreis. Vor seiner Auflösung ist er Vorsitzender der über die Grenzen tätigen Künstlervereinigung der Maler und Bildhauer am Bodensee "Der Kreis".  In einem Schreiben an den in Wien tätigen Vorarlberger Bildhauer Albert Bechtold kündigt sich, wenn man so will - seine "innere Emigration" zum nationalsozialistischen Deutschland an. In Ingrid Adamers Buch über Albert Bechtold (Ingrid Adamer: Albert Bechtold 1885-1965. Böhlau Verlag Wien, 2002 - 471 Seiten) finden wir folgenden Satz:
"Fragen Sie nicht allzu verwundert, ob denn 'Der Kreis' überhaupt noch exisitierte. Wenn er auch in den letzten beiden Jahren ein etwas zurückgezogenes Leben geführt hat, so ist sein Lebenswille deswegen noch nicht erloschen. Es liegt an den allgemeinen Verhältnissen, dass wir nicht stärker hervortreten können, mit Ausstellungen, mit Festen und kollegialen Zusammenkünften, wie früher, denn diese inzwischen entstandenen Verhältnisse legen sich würgend auf die für eine internationale Vereinigung wie den 'Kreis' so notwendige Freizügigkeit."
Norbert Jacques selbst konnte sich aber trotz verschiedener Repressalien wie einer 14-tägigen Gestapohaft und eines zeitweiligen Schreibverbots nicht zur Emigration entschließen. 1940 heiratete er  in 3. Ehe in Bregenz Maria Jäger aus der Schweiz.

Im Mai 1940 stellte er sich wiederum in den Dienst der reichsdeutschen Kulturpropaganda in Luxemburg und gab 1941 linientreue Stellungnahmen in deutschen Zeitungen zur Luxemburg-Frage ab. Für 20 Tage war er in Sigmaringen im Jahr 1945 gar Bürgermeister. Nach 1945 wurde er der Kollaboration, germanophiler Hetze, Denunziation und des Landesverrats bezichtigt. Es folgte eine viermonatige Untersuchungshaft im Staatsgefängnis und schließlich, ohne offizielle Anklageerhebung, eine Ausweisung im Juli 1946. Er verbrachte danach bis zu seinem Tode sein Leben im wesentlichen auf dem Bauernhof in Schlachters in Sigmarszell im deutschen Teil des Leiblachtales. Beerdigt ist Norbert Jacques auf dem Friedhof von Schlachter.


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