Mittwoch, 8. Februar 2023

[ #Vorarlberg ] "Helden" des Jahres 1809 in Vorarlberg

Riedmiller-Denkmal in Bludenz
Von Giacomo 1970 aus der deutschsprachigen Wikipedia, CC BY-SA 3.0

[Free PDF] Napoleon und den Bayern verdankte Vorarlberg unter vielem anderen den Ausbau des Schulwesens, eine bessere Versorgung mit Ärzten und Hebammen, die Beseitigung der Diskriminierung jüdischer Mitbürger, die Abschaffung der Strafen für uneheliche Geburten und die Einführung der Feuerversicherung. Napoleon spielte zeitweise sogar mit dem Gedanken oder wie man heute sagen würde, er hatte "angedacht" Vorarlberg (samt Tirol) der Schweiz anzuschließen.

Franzosenbefreiung. Ein kostenloses Angebot von "textfeld.at" ermöglicht den Download eines leicht lesbaren Aufsatzes von Michael Kasper ("Helden" des Jahres 1809 in Vorarlberg. Seminararbeit, 2005) und damit auch eine angemessene Immunisierung gegen die latent noch immer vorhandene Mär von der Franzosenbefreiung des Jahres 1809, die freilich in Tirol noch stärker weiterlebt.

Dass bis in die heutigen Tage das Wissen um die Vorarlberger "Helden" dünn ist und von mancherlei Ressentiments getragen war, zeigt der Verfasser in seiner Arbeit bereits einleitend:
Noch dazu kommt das Verunglimpfen des ihrer Meinung nach zu liberalen Schneider durch die katholisch-konservativen "Klerikalen" im Zuge der Planungen für ein ihm gewidmetes Denkmal vor 1910. "Anton Schneider [wurde] als Feigling, Betrüger, Verräter und Ehebrecher abgestempelt." Einen solchen Mann konnten und wollten die damals federführenden Kräfte nicht zum Volkshelden stilisieren.Doch genaueres dazu weiter unten. Auch der "Schwab Riedmiller" konnte mit seiner Herkunft aus Memmingen nicht als echter Vorarlberger Volksheld fungieren. Außerdem war er nie Anführer des gesamten Landes gewesen, sondern nur Major eines Schützenbataillons. Schließlich mündeten die Feierlichkeiten zum 175-Jahr-Jubiläum des Aufstandsjahres 1984 in einer letzten Denkmalsenthüllung – für Andreas Hofer in der Südtirolersiedlung in Bregenz. Ein bezeichnender Abschluss der Rezeptionsgeschichte des Erinnerungsortes "1809".
Heldendämmerung. Dazwischen liest sich die Geschichte der Vorarlberger "Helden" Schneider und Riedmiller aber auch recht erbaulich, wenn man die Alemannen- und Selbstverwaltungsmärchen (die vom bösen zentralistischen Wien abgrenzen  und eine rassisch fundierte allemanische bessere Eigenart der Vorarlberger suggerieren sollte) noch im Ohr hat. Jedenfalls "menschelts" da auch unter den "Freiheitskämpfern" sehr. Und in diesem Zusammenhang sei auch ergänzend erwähnt, dass der erste "Vorarlberg zur Schweiz" Proponent Napoleon höchstpersönlich war - gegen den ausdrücklichen Widerstand der Vorarlberger (Stände).  Aber lassen wir das Heldenmanuskript im Schluss nochmals zu Wort kommen:


Zusammenfassend ist in erster Linie festzuhalten welchen kleinen Stellenwert "1809" als Erinnerungsort in Vorarlberg hat. Damit zusammenhängend wurden auch die "Helden des Freiheitskampfes", für die stellvertretend Dr. Anton Schneider und Bernhard Riedmiller beschrieben wurden, in der Folgezeit marginalisiert und kaum zu identitätsstiftenden Heroen des "freiheitsliebenden Landes" stilisiert. Nur in wenigen Fällen instrumentalisierten gewisse intellektuelle Kreise Personen oder Ereignisse der Zeit um 1809 für ihre politischen Zwecke, doch blieben diese Aktivitäten zumeist sehr beschränkt. Am nachhaltigsten wirkte wohl die Verunglimpfung Anton Schneiders um 1900 nach. So muss Vorarlberg im Gegensatz zu Tirol, das bis heute sehr stark auf die 1809-Ereignisse und vor allem "Andre" Hofer zurückgreift, andere Traditionen heranziehen um eine gemeinsame Identität zu schaffen. Wurde dies bis zu Beginn der 80er Jahre von Benedikt Bilgeri, Elmar Grabherr und den Vorarlberger Nachrichten (unter Franz Ortner) mittels Alemannentümelei propagiert, hat sich glücklicherweise inzwischen ein Mentalitäts(?)wandel eingestellt und sich der überdurchschnittlich hohe Ausländeranteil ausgewirkt, sodass heute andere Werte als "Volkszugehörigkeit" bei der Produktion einer regionalen Identität überwiegen.

Ausnahmen bestätigen laut einem Sprichwort aber nur die Regel.


 [Zeitreiseführer #Vorarlberg ]⇒ 

Keine Kommentare: