Donnerstag, 26. Januar 2017

[ #Vorarlberg ] Alemannenmythos - Die Erfindung des Vorarlbergers

Free eBook. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gilt in der veröffentlichten landesgeschichtlichen Literatur die – angeblich uralte – "Selbständigkeit" des Landes als prägendes Element des Vorarlberger "Volkscharakters". Zum ersten Mal erwähnt wurde die angeblich "durch Jahrhunderte bestandene Selbständigkeit" in einer Denkschrift der konservativen Reichstagsabgeordneten Ratz und Zwickle im Rahmen der "Los-von-Tirol"-Kampagne im Jahr 1849.

Diese in der Folge immer wieder behauptete und mit der Zeit auch in der Geschichtsschreibung verankerte – wenngleich kaum belegte – "Selbständigkeit" bezog sich ausschließlich auf die politische Vertretung des Landes (Landtag, Landstände) und hinderte die konservativen Eliten keineswegs daran, sich – und damit auch die Bevölkerung des Landes – bis zum Ende des Ersten Weltkriegs als "katholisch, deutsch und kaisertreu" zu deklarieren. Das "kaisertreue" Volk, das der benachbarten Schweiz bisher offiziell mit Skepsis gegenübergetreten war, wurde gewissermaßen über Nacht zu einem von der Schweiz stark beeinflussten Volk mit ausgeprägtem "demokratischem Sinn".

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Markus Barnay: Die Erfindung des Vorarlbergers. Ethnizitätsbildung und Landesbewusstsein im 19. und 20. Jahrhundert
Studien zur Geschichte und Gesellschaft Vorarlbergs, Band 3. 1988, 535 Seiten

Dass die Vorarlberger Alemannen seien und dass das Land seit grauer Vorzeit eine Einheit bilde - das waren bislang Standardpositionen der Landesgeschichtsschreibung und zentrale Elemente des Landesbewusstseins in Vorarlberg. In politischen Auseinandersetzungen spielen diese Vorgaben bis heute eine wesentliche Rolle. 
Die Untersuchung von Markus Barnay stellt solches Denken radikal in Frage. Sie zeigt, dass der heutige "Vorarlberger" aus vielschichtigen politisch-kulturellen Entwicklungen der letzten zwei Jahrhunderte entstand; er wurde nicht vorgefunden, sondern erfunden.
Allein das vorgestellte Quellenmaterial zu dieser Erfindung des Vorarlbergers spricht gegen die Idee, die Bewohner dieses Landes seien gleichsam von Natur aus anders als die anderen. Außerdem erwiesen sich die ihnen zugeschriebenen unverbrüchlichen Eigenschaften stets als äußerst wandelbar. Indem Markus Barnay diesen Wandel des Selbst- und Fremdbildes der Vorarlberger verfolgt, liefert er auch einen kritischen Beitrag zur Vorarlberger Landesgeschichtsschreibung. 
Die Erfindung des Vorarlbergers ist ein historischer Prozeß und als solcher niemals abgeschlossen. Es ist zudem ein durch und durch politischer - und bis heute aktueller - Vorgang.
Lohnt sich ein Download? Ein umfassender Blick auf den Inhalt:

1. Einleitung 13

2. Landesbewußtsein in Vorarlberg vor 1805: Krisen-Bewußtsein der politischen Elite 23
2.1. Zur Geschichte und Bedeutung der Vorarlberger Landstände 24
2.2. Grundlagen der Ethnizitätsbildung im 18. Jahrhundert 32
2.2.1. Die politische Entwicklung bis 1805: Entstehung des Landes Vorarlberg 32
2.2.2. Wirtschaftsstruktur Im 18. Jahrhundert: Region "Vorarlberg"? 41
2.2.3. Gesellschaftsstruktur im 18. Jahrhundert 47
2.3. Ethnische Symbole vor 1805: Vorarlberg - das Land der Väter? 51
2.4. Träger des Landesbewußtseins und Medien der Artikulation 63
2.4.1. Artikulatoren ethnischer Leitbilder im 18. Jahrhundert: Die Vorarlberger Landstände 65
2.4.2. Medien der Artikulation vor 1805 69
2.5. Zusammenfassung: Vorarlberger Landesbewußtsein im 18. Jahrhundert 74
2.6. Rezeptionsgeschichte: Geschichte der Geschichtsschreibung 76

3. Landesbewußtsein in Vorar!berg 1805-1848: Unterm Dach des Kaiserhauses 81
3.1. Grundlagen der Ethnizitäsbildung 81
3.1.1. Die politische Entwicklung: Bayern und der Vormärz 81
3.1.2. Wirtschaftliche Entwicklung 1814-1848: Industrialisierung verstärkt Unterschiede 90
3.1.3. Gesellschaftliche Entwicklung in Vorarlberg 1814-1848: Aufstieg der Fabrikanten 94
3.2. Ethnische Symbole in Vorarlberg 1805-1848   98
3.2.1. Unter bayerischer Herrschaft: Kaisertreue und Patriotismus 98
3.2.2. Wieder bei Österreich: Landesbewußtsein 1814-1848  104
3.3. Träger des Landesbewußtseins und Medien der Artikulation 130
3.3.1. Träger des Landesbewußtseins 1805-1848: Die ersten Heimatforscher 130
3.3.2. Medien der Artikulation 1805-1848   133
3.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1805-1848   137
3.5. Rezeptionsgeschichte des Aufstandes von 1809   139

4. Landesbewußtsein in Vorarlberg 1848-1861: "Vorarlberg" in (liberaler) Sicht 145
4.1. Grundlagen der Ethnizitätsbildung 145
4.1.1. Die politische Entwicklung 1848-1861: Von der bürgerlichen Revolution zum eigenen Landtag 145
4.1.2. Wirtschaftliche Entwicklung 1848-1861: Auflösung des "Bodenseeraumes" 151
4.1.3. Gesellschaftliche Entwicklung 1848-1861: Verschärfung sozialer Ungleichheit 152
4.2. Ethnische Symbole 1848-1861: Argumente im Dienste politischer Selbständigkeit 154
4.3. Träger des Landesbewußtseins und Medien der Artikulation 1848-1861 180
4.3.1. Träger des Landesbewußtseins: Politiker und Unternehmer 180
4.3.2. Medien der Artikulation: Pressefreiheit öffnet neue Wege 184
4.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1848-1861 194
4.5. Rezeptionsgeschichte: 1848/49 im Spiegel der Vorarlberger Geschichtsschreibung

5. Landesbewußtsein in Vorarlberg 1861-1884: Konservative und Liberale - Wem gehört "Vorarlberg"? 199
5.1. Grundlagen der Ethnizitätsbildung 200
5.1.1. Politische Entwicklung 1861-1884: Vorarlberg wird "schwarz" 200
5.1.2. Wirtschaftliche Entwicklung 1861-1884: Drei ungleiche Regionen 208
5.1.3. Gesellschaftliche Entwicklung: Auflösung der "geschlossenen Gesellschaft" 212
5.2. Inhalte ethnischer Selbstbeschreibung 1861-1884   217
5.2.1. Ethnizität als Mittel politischen Kampfes 217
5.2.2. Kontinuität und Wandel ethnischer Leitbilder 226
5.2.3. Historische Traditionen 228
5.2.4. Geographische Besonderheiten 232
5.2.5. Abstammungstheorien 233
5.2.6. "Volkscharakter" 237
5.2.7. Wirtschaftsverhältnisse 241
5.2.8. Sprache 243
5.2.9. Patriotismus und staatliche Integration 244
5.3. Träger des Landesbewußtselns und Medien der Artikulation 1861-1884   246
5.3.1. Träger des Landesbewußtseins 246
5.3.2. Medien der Artikulation 253
5.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1861-1884   258
5.4.1. Franz Michael Felder: Landsleute und Kosmopoliten 260

6. Landesbewußtsein in Vorarlberg 1884-1918: "Vorarlberger" gegen "Fremde" 263
6.1. Grundlagen der Ethnizitätsbildung 263
6.1.1. Politische Entwicklung nach 1884    263
6.1.2. Wirtschaftliche Entwicklung 1884-1918   267
6.1.3. Gesellschaftsstruktur um die Jahrhundertwende 269
6.2. Inhalte ethnischer Selbstbeschreibung 1884-1914  273
6.2.1. Ausgrenzung von Minderheiten unter ethnischen Vorzeichen  274
6.2.2. Ethnizität als Herrschaftsmittel 277
6.2.3. Historische Traditionen 280
6.2.4. Die "Abgeschlossenheit" Vorarlbergs 290
6.2.5. Die Abstammung der Vorarlberger 293
6.2.6. Der "Volkscharakter" der Vorarlberger 300
6.2.7. Wirtschaftsverhältnisse und soziales Milieu 309
6.2.8. Die Sprache der Vorarlberger 312
6.2.9. Katholisch, deutsch und kaisertreu (bis in den Tod 1914-1918)   313
6.3. Träger des Landesbewußtseins und Medien der Artikulation 1884-1918   316
6.3.1. Träger des Landesbewußtseins 316
6.3.2. Medien der Artikulation 319
6.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1884-1918   321

7. Landesbewußtsein in Vorarlberg 1918-1933: Alle Mannen, alle Frauen - Alemannen 326
7.1. Grundlagen der Ethnizitätsbildung 326
7.1.1. Politische Entwicklung 1918-1933    326
7.1.2. Wirtschaftliche Entwicklung 332
7.1.3. Gesellschaftsstruktur 334
7.2. Inhalte ethnischer Symbolformationen 1918-1933   337
7.2 Aus Monarchisten werden Republikaner 337
7.2.2. Wien als Feindbild und Sündenbock 341
7.2.3. Vielzweckwaffe Antisemitismus 343
7.2.4. Ausgrenzung von Minderheiten 346
7.2.5. Historische Traditionen 349
7.2.6. Die geographische Einheit 362
7.2.7. Abstammung und "Rasse" der Vorarlberger 364
7.2.8. Der "Volkscharakter" der Vorarlberger 378
7.2.9. Wirtschaftsstruktur und soziales MiIieu 387
7.2.10. Die Sprache der Vorarlberger 389
7.3. Träger und Medien der Artikulation 390
7.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1918-1933    396

8. Landesbewußtsein Vorarlberg 1933-1945: Im Dienste zweier Diktaturen  399
8.1. Grundlagen der Ethnizitätsbildung 400
8.1 .1. Politische Entwicklung 1933-1945    400
8.1.2. Wirtschaftliche und soziale Entwicklung 1933-1945    409
8.2. Inhalte ethnischer Symbolformationen 1933-1945    411
8.2.1. Ethnizität als Herrschaftsmittel 412
8.2.2. Ausgrenzung von Minderheiten 423
8.2.3.Inhalte und ethnische Symbole 425
8.3. Träger und Medien der Artikulation 435
8.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg 1933-1945 436

9. Landesbewußtsein in Vorarlberg nach 1945: Österreichs Alemannen - geborene Demokraten, seit jeher Föderalisten 439
9.1. Vorarlberg in der Nachkriegszeit 440
9.2. Funktionen und Inhalte ethnischer Symbolformationen in Vorarlberg nach 1945  445
9.2.1. "Vergangenheitsbewältigung" in Vorarlberg 445
9.2.2. Integration und Ausgrenzung  449
9.2.3. Ethnizität als Herrschaftsmittel 453
9.2.4. Historische Traditionen und Landesgeschichtsschreibung nach 1945 456
9.2.5. Die "Abstammung" der Vorarlberger 462
9.2.6. Der "Volkscharakter" der Vorarlberger - Freiheits- und Familiensinn? 471
9.3. Träger des Landesbewußtseins und Medien der Artikulation nach 1945 475
9.3.1. Artikulatoren 475
9.3.2. Medien der Artikulation 476
9.4. Zusammenfassung: Landesbewußtsein in Vorarlberg nach 1945   480

10. Zum Schluß:
Ethnizitätsbildung und Landesbewußtsein in Vorarlberg - Suche, Erfindung, Perspektiven  483
Quellen 493
Literatur 495
Bildquellen 525
Personenregister 527
Ortsregister 532

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