Sonntag, 12. März 2023

[ #Vorarlberg ] Schlafen auf dem Buchenlaub


Bettlaubsammeln als Streu- und Waldnutzung in Vorarlberg. Im St.Galler Rheintal wurde Buchenlaub nicht nur als Einstreu gesammelt, nein man schlief mancherorts noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts darauf. 

Im St. Galler Rheintal war das Sammeln von Bettlaub noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts verbreitet und erst die moderne Matratze verbunden mit der ökonomischen Entwicklung hat dem Bettlaubsammeln ein Ende gesetzt. Mit Hilfe von Zeitzeugen-Berichten haben Wissenschafter das Wissen über diese aufgegebene Waldnutzung im St.Galler Rheintal zusammengetragen.

Heimatmuseum Walsertal. Es ist anzunehmen, dass auch in Vorarlberg die Bettlaubnutzung in ähnlicher Weise erfolgte, besteht doch der Wald in Vorarlberg in tieferen Lagen aus Mischwälder mit verschiedenen Edellaubhölzern (Buche, Ahorn, Esche, Eiche, Ulme). Im Heimatmuseum im Großen Walsertal wird über das ausgestellte Schlafzimmer (Gaden) berichtet: "Im Schlafzimmer im Obergeschoß wundern sich Eltern und Kinder über das ziemlich enge Doppelbett. Es hat einen Laubsack statt einer Matratze. Dieser Laubsack wurde jährlich zweimal mit frischem, trockenem Buchenlaub gefüllt."

Oral History.
Die Studie als Oral-History-Projekt wurde sowohl thematisch und regional eng auf die "Buchenwaldgemeinden" des St.Galler Rheintals begrenzt durchgeführt. Die Studie zeigte, dass in weiten Teilen des Untersuchungsgebietes Bettlaub gesammelt wurde. Da meistens Buchenlaub zur Füllung der Laubsäcke genutzt wurde, reduziert sich das Verbreitungsgebiet eben vorwiegend auf die Buchenwaldstandorte.
 
Die Studie zeigt aber nicht nur Waldnutzung sondern auch ökonomische und soziale Verhältnisse auf, weenn man weiss, dass im St. Galler Rheintal noch im 20. Jahrhundert (zwar nur noch ärmere Leute) Bettlaub sammelten. Das endgültige Verschwinden dieser Laubnutzung zog sich jedoch über eine lange Zeit hin, schliefen sichtlich noch einzelne Familien bis in die frühen 1960er Jahre auf Laubsäcken.

Holznutzung. Die intensive Bettlaubnutzung hatte aus Sicht der Waldbewirtschaftung negative Auswirkungen auf den Wald - entzog sie doch dem Wald Nährstoffe und verletzte auch Jungpflanzen - und wurde insbesondere mit der steigenden Nachfrage nach Holz auch zu unterbinden gesucht. So wird in den Jahresberichten für das Forstrevier des Klosters Einsiedeln das Bettlaubsammeln in den Buchenwäldern durch arme Leute wurde immer wieder beklagt. Aus Gründen der "christlichen Nächstenliebe" verzichtete das Kloster jedoch auf ein Vorgehen gegen diese Leute. Erst 1924 wird in den Berichten bemerkt, dass die Beanspruchung durch die Gewinnung von Bettlaub zum Vorteil des Waldes doch etwas zurückzugehen scheine.

Sammelberechtigung. In allen Ortschaften des Rheintales war das Sammeln von Bettlaub reglementiert. Die Regelungen hatten zum Ziel, die Ressource Laub gerecht zu verteilen und den Wald zu schonen. Dies geschah durch Einschränkungen des Kreises der berechtigten Personen, Sammelzeit, des Orts und der erlaubten Werkzeuge.


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