Mittwoch, 26. Oktober 2022

[ #Feldkirch ] Gabriel de Gabrieli erbaute das Palais Liechtenstein in Feldkirch


Künstler aus Italien erfüllten in Mitteleuropa eine bedeutende Kulturmission. Am 26.Mai 1694 trat der Graubündner "Maurer" Gabriel de Gabrieli in die Dienste des Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein zu Wien ein. Zunächst als Maurermeister, avancierte er bald zum Hofbaumeister und Bauinspektor.

Auch am Palais Liechtenstein in Wien wirkte er mit. Der Palast wurde nach Plänen Enrico Zuccallis für den Grafen Kaunitz begonnen und 1693 von Domenico Martinelli verändert. Mit der Bauleitung wurde Antonio Riva beauftragt. 1694 wurde der Bau an den Fürsten von Liechtenstein verkauft. Martinelli setzte Gabrieli zunächst als Bauzeichner und Organisator ein, jedoch am 25. Mai 1694 trat dieser an Rivas Stelle und verpflichtete sich, den Bau "dem hierüber gefertigten Abriss conform" fortzuführen. Gegen die von Gabrieli durchgeführten Änderungen im Stiegenhaus erhob Martinelli öffentlich Einspruch. In einem Brief an den Fürsten (25. September 1700) erklärt Gabrieli, dass er nichts von dem, was man ihm angeschafft hatte, ausgelassen habe. Er habe die Gedanken Martinellis nur deshalb etwas abgeändert, um die Fehler an der Stiege und das Rundherum "wieder gutzumachen". 1705 war der Bau unter Gabrieli fertiggestellt.


Treppenhaus im Palais Liechtenstein in Wien

Italiens Künstler. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts strömten italienische Künstler nach Österreich. Am Anfang wurden sie in dem seit 1529 unmittelbar von der Expansion des osmanischen Reiches bedrohten Land vor allem als Baumeister von Befestigungsanlagen geschätzt. Bald konnten sie sich auch im Bereich der "architectura civilis" und in allen anderen Kunstgattungen durchsetzen. Vorteilhaft und von grundlegender Bedeutung für ihren Erfolg zeigte sich auch die um sich greifende und alle Gesellschaftsschichten erfassende "italianità" der frühneuzeitlichen Gesellschaft. Die "italianità" setzte sich in der Literatur, in der Musik, im Theater, in der Architektur und in der bildenden Kunst durch und wurde zur universellen Sprache des politisch und konfessionell gespaltenen Kontinents.

Der italienische Künstlerstrom nahm während des 17. Jahrhunderts gewaltig zu und gipfelte vor der zweiten osmanischen Belagerung Wiens 1683. Damals hatten die italienischen Künstler in unseren Ländern eine unumstrittene Vormachtsstellung. Vor den anrückenden Türken verließen jedoch manche in Wien ansässigen Italiener 1683 das Land und kehrten nicht mehr zurück. Ihre Monopolstellung in der österreichischen Kunstszene war gebrochen und wurde nicht mehr wiederhergestellt. Seit dem 18. Jahrhundert beeinflussten neben der "italianità" zunehmend Impulse aus Paris die österreichische Kultur und später setzte sich in Mitteleuropa die angloamerikanische Globalkultur der Gegenwart durch.

Migration und Nationalismus. Ungeachtet ihrer enormen Bedeutung behandelte die österreichische Kunsthistoriographie die austroitalienischen Künstler lange Zeit stiefmütterlich. Irregeleitet von der engstirnig aufgefassten Kunstnationalität hielt unsere Forschung die Jahrhunderte zwischen der deutschen Renaissance und dem Auftreten der Künstlergeneration von Fischer von Erlach, Andreas Schlütter oder Johann Michael Rotmayr für eine dunkle Periode, die man nur mit Verlegenheit behandelte. Die Bedeutung der italienischen Künstler für die Verbreitung des antiken Erbes sowie der mediterranen Kultur in den Ländern nördlich der Alpen kann kaum hoch genug geschätzt werden.

Artisti Italiani in Austria. Täglich reden wir von Europa, dabei ist es in unseren Kulturstätten und Werken alltäglich. Ein Auge öffnet dafür das Projekt "Artisti Italiani in Austria", das eigentlich Förderung durch die EU und die zwischenstaatlichen Kulturpolitiken Österreichs, Italiens, der Schweiz, ja wohl auch der deutschen, tschechischen, ungarischen, slowenischen und kroatischen Stellen erfahren sollte. Die Seite liefert aber weit mehr als "nur" Kunstgeschichte. Die erfassten Biografien und Werkverzeichnisse, die Verwandtschafts- und Familienverhältnisse eröffnen einen Blick auf eine spezifische Migrationsform, die gerade heute angesichts der "Ausländer"-Diskussion den Blick schärfen könnte: Für Probleme der sprachlichen und nationalen Diaspora, für die kulturelle Entwicklung und auch die bis heute daraus resultierende andauernde Bereicherung der Gastkultur.

Das Projekt "Artisti Italiani in Austria" bietet faktographisches Material zu den im Laufe der Jahrhunderte in Österreich tätigen italienischen Künstlern und kann auch ein Beitrag zur Migrationsdebatte sein. Einer von ihnen - Gabriel de Gabrieli - baute das Palais Liechtenstein in Feldkirch. Ein unglaublich tolles Projekt.

Feedback. Das Projekt AIA vulgo "Artisti Italiani in Austria" bietet den Fachleuten und interessierten Laien faktographisches Material zu den im Laufe der Jahrhunderte in Österreich tätigen italienischen Künstlern. Die AIA-Datenbank wird im Internet in der Form einer Web-Seite zur Verfügung gestellt. Das Projekt wurde auf mehrere Etappen angelegt. Neben den biographischen Daten findet der Benützer in den einschlägigen und alphabetisch geordneten Texten jeweils Werkverzeichnisse, Abbildungen der erörterten Kunstwerke sowie eine ausführliche Bibliographie. Es wird beabsichtigt, die Texte und Abbildungen fortlaufend nach Bedarf und Möglichkeit zu ergänzen. Diesbezüglich erwartet der Projektleiter ein feedback seitens der Benützer. Zu dem Zweck wird die E-Mail-Adresse des Projektleiters angegeben. Die Texte werden von Studierenden der Kunstgeschichte der Universität Innsbruck verfasst. Die VerfasserInnen tragen die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben. Durch korrektes Zitieren respektieren sie das Copyright der verwendeten Quellen und der Sekundärliteratur. Das Gleiche wird von den Benützern der AIA-Webseite erwartet.

Gabriel de Gabrieli 
(*18.12.1671-†21.5.1747) 
Der Erbauer des Palais Liechtenstein in Feldkirvh

Gabriel de Gabrieli (*18.12.1671-†21.5.1747) wurde am 18. Dezember 1671 in Roveredo, dem Hauptort des italienischsprachigen Misoxtales im Schweizer Kanton Graubünden geboren. Er gehört zur Gruppe der sogenannten "Graubündener Baumeister und Stukkateure", welche seit dem 16. Jahrhundert fast ausnahmslos aus dem Misox hervorgingen und sich bis ins späte 18. Jahrhundert vor allem in die deutschsprachigen Gebiete Europas verbreiteten.

Misox. Seine beiden Brüder Franz (1686-1726) und Giovanni Caspare (1691-1713) galten als seine verbundensten Mitarbeiter, die im Zusammenhang mit Stukkarbeiten der architektonischen Werke ihres bedeutenden Bruders Gabriel erwähnt sind. Sein Bruder Franz wurde auch mit der Bauleitung einzelner Werke beauftragt. Gabrieli pflegte engen Kontakt zu seinen Landsleuten, denen er verschiedene Aufträge im Ausland zukommen ließ.

Graubündener Baumeister und Stukkateure. 1710 heiratete er Giovanna Marta Tini - die Familie Tini stammte aus Graubünden und einzelne Mitglieder werden in Zusammenarbeit mit Gabrieli genannt - mit der er fünf Kinder hatte, sie verstarb jedoch 1715. Aus seiner zweiten Ehe mit Magdalena Pfaller gingen weitere fünf Kinder hervor. Sein Onkel Caspar Zuccalli war als Baumeister in Salzburg tätig, und sein Schwager Antonio Salle wird in Zusammenarbeit mit Franz und Gabriel erwähnt. Dem verwandtschaftlichen Verhältnis zum kurbayrischen Hofarchitekten Enrico Zuccalli wird sein Aufenthalt in Wien zugeschrieben. Sowohl Zuccalli wie auch Antonio Riva standen im Dienste des Grafen Andreas von Kaunitz, dessen Palais an den Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein verkauft wurde.

Liechtenstein. Nach Maurerlehre und Meisterprüfung, wohl bei seinem Vater, dem Maurermeister Giovanni Gabrieli, stand Gabrieli 1694 - 1705 in den Diensten des Fürsten Johann Adam Andreas von Liechtenstein zu Wien. Der 1694 nach Ansbach gerufene Graubündner Baumeister hatte auch für dessen Markgrafen zwischen 1695 und 1703 bereits das Corps de Logis umgebaut und vor 1709 im Schlosshof zum Teil die alten Galerien erneuert und ihnen barocke Arkaden vorgelegt. Aus einer Wasserburg entstand im 16. Jahrhundert ein mächtiges Renaissanceschloss. Die Hauptfassade und der Innenhof, wie sie heute zu sehen sind, stammen zwischen 1705 und 1716 von Gabriel de Gabrieli. '

Ansbach. Nach seiner Ernennung zum Baudirektor (10. Dezember 1709) begann er mit dem Ausbau der monumentalen Hauptfassade, indem er dem alten Schlossbau im Südostflügel einen Trakt von zunächst neun Achsen vorblendete. Da der Markgräfin die üppigen Formen des österreichisch-wienerischen Barocks missfielen - sie bevorzugte als Protestantin mehr die französisch-klassizistische Richtung - kam es auch infolge von angeblichen Eigenmächtigkeiten Gabrielis zu Spannungen zwischen dem Bauherrn und dem Architekten und schließlich zum Bruch. Gabrieli verließ 1715/1716 Ansbach endgültig, nachdem er bereits 1714 in eichstättische Dienste getreten war.

Eichstätt. Er wurde noch im gleichen Jahr zum Direktor des fürstbischöflichen Hofbauamtes ernannt und durch Fürstbischof Johann Anton Knebel von Katzenellenbogen mit dem Bau der Eichstätter Domwestfassade betraut. Seit dem Jahreswechsel 1715/16 endgültig in Eichstätt, entfaltete er hier als Hofbaudirektor und Hofkammerrat bis zu seinem Tod am 21. März 1747 ein reiches Schaffen in Stadt und Bistum. Eine Vielzahl seiner Bauten zieren heute jeden süddeutschen Tourismusprospekt. Seit 1735 war er auch Generalbaudirektor in Augsburg.


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