Donnerstag, 16. Juni 2022

[ #Braz ] Wahnsinnige Nazis: Suche nach dem Vorarlberger Johann Joseph Gaßner


Welche Wahnsinnigen hinter dem NS-Regime - nein an vorderster Stelle - standen, zeigt folgendes Fundstück. Die SS und der SD fahndete nach "germanischen" Hexen.


Einer der gesuchten "Zauberer" war der Pfarrer Johann Joseph Gaßner aus Braz. Scans des Aktenbestandes des Reichssicherheitshauptamtes, des RSHA, das im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde lagert (BArch R 58 7484, Blatt 01-69, komplette Akte) findet man im Web.

Johann Joseph Gaßner. Eine der merkwürdigsten Gestalten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist der Pfarrer Johann Joseph Gaßner. Durch seine "Wunderkuren" erregte er so großes Aufsehen, dass sich die höchsten weltlichen und kirchlichen Behörden gezwungen sahen, zu seiner Tätigkeit Stellung zu nehmen. Er wird heute zu den Vorläufern der (esoterisch orientierten) Hypnose- und Psychotherapie gezählt, kann aber ebenso gut als ein Modernisierer des Hexenwahns begriffen werden.

Die Nazis - zumindest Himmlers völkische "Wissenschaftler" - zählten Johann Joseph Gaßner, den Teufelsbanner zur deutschen Hexengeschichte. Im bundesdeutschen Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, (BArch R 58 7484, Blatt 01-69) befindet sich ein Aktenbestand des Reichssicherheitshauptamtes, das als ein Arbeitsergebnis des H-Sonderauftrages des Reichsführers SS Heinrich Himmler zur Hexenforschung verstanden wird. Dabei spielt der Vorarlberger Johann Joseph Gaßner eine wichtige Rolle. Von den 69 Seiten von den Nazis erhobener Bibliografie zur deutschen Hexengeschichte füllt er immerhin 14 Seiten, also ein Fünftel der gesamten Sammlung.

Himmlers Hexenkartothek. Bereits 1935 wird auf Betreiben von Heinrich Himmler innerhalb des Sicherheitsdienstes der so genannte H-Sonderauftrag (Hexen-Sonderauftrag) eingerichtet. Die Geschichte der frühneuzeitlichen Hexenverfolgung soll "wissenschaftlich" aufgearbeitet werden. Das Projekt ist einer von vielen Versuchen die politische Macht ideologisch zu untermauern. Die Ziele sind von Beginn an klar vorgegeben: Es soll möglichst viel Material gesammelt werden, um die antikirchliche und antijüdische Propaganda zu unterstützen. Des Weiteren sollen die Überreste einer heidnischen, altgermanischen Volkskultur und -religion gefunden werden.

Das größte Interesse an den Hexenverfolgungen hat der Chef der Schutzstaffel (SS) Heinrich Himmler. Von Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft an ist Himmler ein großer Freund okkulter Feierlichkeiten und pseudogermanischer Brauchtumspflege. Er ist stets auf der Suche nach altgermanischen Wurzeln, kombiniert wahllos germanische Symbole und romantisiert historische Ereignisse und Personen. Bei offiziellen Feiern lässt er rituelle Hexentänze vorführen. Seine Vorliebe für die frühneuzeitliche Verfolgung der Hexen ist in seiner eigenen Familiengeschichte zu suchen. Eine Urahnin von ihm sei einst im Rahmen der Verfolgungen gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Himmler betrachtet die Hexenprozesse als Verbrechen am deutschen Volk. Schuldig daran sei die katholische Kirche gewesen, die altgermanisches Erbe vernichten wollte. Zudem vermutet er, wie bei fast allen vermeintlichen Verbrechen am deutschen Volk, eine jüdische Verschwörung als Hintergrund. Das Thema fasziniert Himmler so sehr, dass er es schon bald nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in großem Stil erforschen lässt.

Bis 1944 suchen 14 hauptamtliche Mitarbeiter systematisch in über 260 Archiven und Bibliotheken des gesamten deutschen Reiches nach Akten über Hexenprozesse. Die Ergebnisse werden auf etwa 33.000 DIN A4-Karteiblättern festgehalten, die heute unter dem Namen "Hexenkartothek" bekannt sind. Jedes Blatt enthält 37 vorgedruckte Felder, in die unter anderem detaillierte Angaben zur Person des Opfers, zu den Verfolgern und zum Prozessverlauf eingetragen werden. Die Karteiblätter sind nach Ortsnamen in Mappen zusammengeheftet und alphabetisch geordnet. Insgesamt sind so 3621 Ortschaftsmappen zusammengestellt worden. Angesichts der Größe des Projektes und der relativ geringen Mitarbeiterzahl ist die wissenschaftliche Auswertung rasch zum Scheitern verurteilt. Die Arbeit des H-Sonderauftrags kommt über das Stadium der Materialsammlung nicht hinaus. Eine nennenswerte Auswertung findet nicht statt: Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges stirbt auch das Projekt.

Neopaganer, völkischer und esoterischer FeminismusHinter der Beschäftigung mit den Hexenprozessen stehen auch heute ganz bestimmte zeitgeschichtliche Fragen: Die feministische Forschung sucht in den Hexenprozessen die Unterdrückung der Frau, kirchenkritische Kreise eine "Schuld der Kirche". Und nicht zu übersehen die ganze Palette an esoterischer Hexenliteratur, die in die "Hexen" alles zwischen homöopathisch erfahrenen Kräuterweiblein bis keltischen Priesterinnen hineingeheimnissen.


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